Praxisbeispiel zur parodontalen Grunduntersuchung (PGU)
Schwere Parodontitis ist die sechsthäufigste chronische Erkrankung der Menschheit. Warum wird sie so selten entdeckt und noch seltener behandelt?
Es ist eine „stille“ Erkrankung: eine chronisch entzündete Tasche verursacht kaum Schmerzen, Zahnfleischbluten wird häufig als normal empfunden und die Entzündung ist „nach innen gerichtet“. Somit bleibt sie nach außen hin unsichtbar.
Alle Prophylaxeassistentinnen (und ZahnärztInnen) sind daher gut beraten, die parodontale Grunduntersuchung PGU bei jedem (neuen) Patienten durchzuführen, um sicherzugehen, dass nicht bereits eine ernsthafte Erkrankung vorliegt. Gerade bei PatientInnen, die regelmäßig „durchgeputzt“ werden, kann das Zahnfleisch äußerlich durchaus unauffällig aussehen. Und bei Rauchern (immerhin rauchen noch steht mehr als 30% der ÖsterreicherInnen) ist auch das Alarmsymptom Zahnfleischbluten seltener festzustellen. Es kann aber nicht angehen, dass PatientInnen über Jahre nur professionelle Zahnreinigung (PZR) erhalten, obwohl sie in Wirklichkeit bereits tiefe Taschen haben und eigentlich längst parodontale Therapie benötigen.
Dies wird anhand einer Patientin, die „nur rasch“ vor der in Kürze startenden mit Alignern geplanten Kieferorthopädie eine professionelle Zahnreinigung (PZR) wollte, demonstriert (Abb. 2). Die Mundhygiene ist gut, es gibt nur einige Verfärbungen im Interdentalbereich, es besteht keine offensichtliche Gingivitis. Wie immer wird auch hier eine PGU durchgeführt: ausnahmsweise mit einer PCP 12 Sonde (Hu-Friedy), die in 3mm Schritten kalibriert ist (Abb. 3). Mit sanftem Druck von 0,2N (ca. 20g) wird die Sonde entlang aller Zähne an mindestens 2 (besser mehr!) Stellen zwischen Zahn und Zahnfleisch eingeführt, um auf das Vorliegen von Blutung, Rauigkeiten und Taschen zu prüfen. Bereits beim 2. Zahn im 1. Sextanten „fällt“ die Sonde fast 9mm in die Tiefe, obwohl das Zahnfleisch ziemlich unauffällig aussieht (Abb. 4). Nun wird besonders gut weiter sondiert : bei Zahn 26 distopalatinal liegt ebenfalls eine Sondierungstiefe von fast 9mm vor, sowie massives Bluten auf Sondieren (Abb.5). Somit steht fest: Bei dieser Patientin muss vor der KFO zuerst die Parodontitis behandelt werden. Um die Stellen genau zu dokumentieren, benötigt es natürlich noch einen Status mit 6-Punktmessung.
Die ÖGP setzt sich seit vielen Jahren dafür ein, dass die PGU in den Kassenkatalog aufgenommen wird. Vorerst ist diese jedoch der Eigeninitiative des zahnärztlichen Teams überlassen. Dies ist sehr bedauerlich, da doch das Zahnärztegesetz in §§ 18 und 19 so einiges verlangt, was nicht unmittelbar von der Versicherung bezahlt wird, aber dennoch Pflicht ist: So müssen zB. bei Übernahme der Beratung/Behandlung alle PatientInnen über den zahnmedizinisch relevanten Zustand, die Diagnose, mögliche Behandlungen, Alternativen, Folgen der Therapie bzw. Unterlassung einer solchen aufgeklärt werden und die darüber stattgehabte Aufklärung dokumentiert werden.
Autorin: Dr. Corinna Bruckmann, MSc
Präsidentin der Österreichischen Gesellschaft für Parodontologie
Foto: (c) CP Gaba
Abb. 1 – 4 (c) Bruckmann
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