Frauen in der zahnärztlichen Prophylaxe – Praktische Tipps aus der Praxis
Autorin: DH Petra Natter, BA
Bereits im 1. Teil des Artikels wurden die Veränderungen bei der Frau während der hormonell geprägten Lebensphasen (Pubertät – Schwangerschaft – Wechseljahre) aus der Perspektive der präventiven Zahnheilkunde erläutert. Das gesteigerte Bewusstsein der zahnärztlichen Mitarbeiter/-innen ermöglicht es, gerade in der Prophylaxe individueller auf Patientinnen einzugehen und ihnen praktische Tipps mitgeben zu können. Im 2. Teil des Artikels werden die auftretenden Erkrankungen im Licht der hormonellen Beeinflussung analysiert. Konkrete und praktische Erfahrungen aus der Praxis unterstützen die individuelle Prophylaxe und somit das Ergebnis der präventiven Maßnahmen auch in Ihrer Zahnarztpraxis.
Besonders in den kritischen Phasen der Hormonumstellung (Pubertät – Schwangerschaft – Wechseljahre) sollten Patientinnen in der Prophylaxe gezielt aufgeklärt werden, um Probleme frühzeitig erkennen und gegebenenfalls geeignete Therapieschritte einleiten zu können. Durch eine rechtzeitige Diagnose besteht somit die Möglichkeit, auch minimalinvasive und bewährte Präventivstrategien einzusetzen. Dazu sollten alle Mitarbeiter/-innen über das nötige Wissen und Knowhow verfügen, um praktische Tipps für einen individuellen Therapieansatz für die einzelnen Patientinnen bereitstellen zu können.
Zu welchen konkreten Erkrankungen und Problemen können die Hormonumstellungen bei Frauen führen?
Gingivitis und Parodontitis
Konzentrationsveränderungen der Steroidhormone beeinflussen das parodontale Gewebe und den Biofilm. Durch eine Verschiebung der immunentzündlichen Reaktionen kann es zu einer Dysbalance der Bakterien in der Zahnfleischtasche kommen [4]. Deshalb sollte die professionelle Zahnreinigung in der Praxis und die häusliche Mundhygiene der Patientinnen während aller drei Phasen der Hormonumstellung bei Frauen gewissenhaft durchgeführt werden. Hier kann gezielte Aufklärung weitreichende negative Folgen für die betroffenen Frauen verhindern, wobei der richtige Zeitpunkt dieser Aufklärung entscheidend ist.
Kommt die Frau erst nach der Geburt in die Zahnarztpraxis, ist leider oft schon viel Alveolarknochen verloren gegangen, sofern bereits vor der Schwangerschaft eine Parodontitis bestand (Siehe Abbildung 1 und 2). Eine vorhandene Parodontitis kann auch ein Risikofaktor für ungünstige Schwangerschaftsverläufe sein oder durch die Schwangerschaft noch verstärkt werden [1]. Eine Gingivitis dagegen, die durch die Schwangerschaft ausgelöst wurde, ist reversibel und kann durch einfache häusliche Mundhygienemaßnahmen ausheilen.
Während der Wechseljahre können spontane Blutungen am Zahnfleisch auftreten. Durch gezielte, frühzeitige Maßnahmen wie Ölziehen (15-minütige Mundspülung mit kaltgepresstem Öl) und hochwertige Mundspülungen können Symptome reduziert werden. Ebenfalls können durch detaillierte Aufklärungsmaßnahmen weitreichende Folgen verzögert oder sogar verhindert werden. Hilfreiche Tipps für eine geeignete antibakterielle Zahnpasta können den Patientinnen in allen Lebenslagen Erleichterung verschaffen.
Erosionen
Säurebedingte oberflächliche Zahnhartsubstanzverluste sind neben der Karies die am häufigsten auftretende Erkrankung der Zähne und werden in der Prophylaxe immer noch sehr selten diagnostiziert und adäquat präventiv betreut. Die Säure, die aus unterschiedlichen Quellen stammen kann, kann bei direktem Kontakt mit dem Zahnschmelz oder Dentin unwiederbringliche Verluste verursachen. Was sind die typischen Erkennungsmerkmale für eine frühzeitige Intervention von Seiten der Prophylaxemaßnahmen?
Erosionen treten meist an den bukkalen oder palatinalen Glattflächen auf und werden im Anfangsstadium weder von Patientinnen noch in der Prophylaxesitzung erkannt. Die Ursachen der Säuren sind intrinsisch (von innen stammend) oder extrinsisch (von außen stammend) und verursachen unwiederbringlichen Verlust von Zahnhartsubstanz unterschiedlichen Ausmaßes (Siehe Abbildung 3 – Erosionen durch Reflux in den Wechseljahren).
In der Pubertät sind meistens Softdrinks die extrinsische Quelle oder eine Essstörung die intrinsische Quelle. Beide können in eine chronische Erkrankung übergehen, mit sehr starken Verlusten der Zahnhartsubstanz. Während der Schwangerschaft ist meistens die Übelkeit bzw. der Reflux die Ursache für eine Erosionsentstehung und ist nach kurzer Zeit wieder vorbei. In den Wechseljahren ist es oft die Mundtrockenheit, die die Erosionen noch triggern kann.
In allen drei Lebensphasen sollten die Patientinnen über die Risiken aufgeklärt und mögliche Verhaltensveränderungen angesprochen werden. Zusätzlich können Produkte wie geeignete Zahnpasten und Spüllösungen den Mineralstoffverlust der Zähne verzögern. Auch das Kaugummikauen mit zuckerfreien Produkten kann den Speichelfluss anregen und somit den Zahn besser vor einer Säureattacke schützen.
Halitosis – Zungenbelag
Zungenbelag kann durch reduzierten Speichel als Folge der Hormonumstellung in den Wechseljahren auftreten (Siehe Abbildung 4). Viele Frauen klagen während dieser Zeit über einen trockenen Mund. Regelmäßige Zungenreinigung reduziert den Zungenbelag und unangenehme Gerüche aus der Mundhöhle. Sollten weitere therapeutische Maßnahmen nötig sein, ist eine gezielte Anamnese nötig, um ursachenbezogene Therapien einzuleiten.
Wie kann gezielte Genderprophylaxe im Praxisalltag die hormonelle Situation besser berücksichtigen?
Bereits in der Anamnese kann durch die Frage nach einer Schwangerschaft oder Beschwerden in den Wechseljahren auf die entsprechende Problematik aufmerksam gemacht werden. Anschließend sollten, bei Bedarf, in einer weiterführenden Prophylaxesitzung gezielt mögliche Probleme erörtert werden. Ebenso muss die Medikamenteneinnahme regelmäßig (mindestens jährlich) abgeklärt und auf mögliche Nebeneffekte in der Mundhöhle aufmerksam gemacht werden. Dabei sollte auch auf Hormonbehandlungen bei Frauen mit Kinderwunsch geachtet werden, da diese ebenso starke Veränderungen in der Mundhöhle, wie trockenen Mund und Zungenbelag, bewirken können.
Bei der intraoralen Untersuchung muss bei der Befunderhebung auf mögliche Parameter, wie reduzierten Speichelfluss, trockene Schleimhäute und Zungenbelag geachtet werden, und Entzündungen der Gingiva bzw. des Parodontiums sollten im Blick behalten werden. Gezielte Befunde erleichtern die Diagnostik und unterstützen die ausgesuchten Therapiemaßnahmen durch einen Vergleich der Indizes.
Weitere Therapieziele, wie eine verbesserte häusliche Mundhygiene, sollten mit den Patientinnen gemeinsam abgesprochen werden. In der professionellen Prophylaxesitzung kann gezielt am Modell, im Mund und mit den geeigneten Hilfsmitteln instruiert werden, um eine verbesserte Mitarbeit zu erreichen. Dabei hat sich das Anfärben des bakteriellen Biofilms nach der Guided Biofilm Therapy (GBT) als hilfreich erwiesen, besonders in den kritischen Phasen der Hormonumstellung.
Ebenso kann gezielte Aufklärung, wie beispielsweise über den richtigen Zeitpunkt des Zähneputzens nach Säureangriffen, viel Schaden an der Zahnhartsubstanz verhindern. Reizfaktoren, wie überstehende Füllungsränder, sollten beseitigt werden.
Die Empfehlung ausgesuchter therapeutischer Produkte nach genau analysierter Problemstellung unterstützt die Patientinnen in der häuslichen Mundhygiene. Somit kann die zahnärztliche Prophylaxe wertvolle Strukturen der Mundhöhle vor den hormonell bedingten Veränderungen und den daraus resultierenden Problemstellungen für die Frau schützen.
Fazit
Weibliche Hormone spielen von der Pubertät über die Schwangerschaft bis hin zu den Wechseljahren eine große Rolle in den einzelnen Lebensphasen der Frau. Bei der professionellen Prophylaxebehandlung in der Zahnarztpraxis sollte auf diese hormonellen Besonderheiten eingegangen werden. Dies erfordert eine genaue Anamnese (zielgerichtete Fragen im Anamnesebogen) und Befunderhebung (Karies- und Erosionsdiagnostik sowie Parodontitis-Früherkennung), um die richtigen Behandlungsstrategien wählen zu können.
Gezielte Fluoridierungsmaßnahmen und gute Instruktionen bezüglich der häuslichen Mundhygiene in den verschiedenen Hormonphasen der Frau können aufkommende Probleme bereits präventiv reduzieren bzw. vermeiden. Dabei ist eine gute Adhärenz (Einhaltung der gemeinsam gesetzten Therapieziele von Behandler/-innen und Patientinnen) in der zahnmedizinischen Prophylaxe ein wichtiger Faktor für den Erfolg. Das zahnärztliche Team sollte entsprechend geschult sein und ein ausgearbeitetes Präventionskonzept für Frauen anbieten, um die zahnmedizinische Genderprophylaxe für Frauen noch weiter in den Mittelpunkt zu rücken.
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