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Wege zur richtigen Interdentalraumpflege

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Bereits 1896 brachte Johnson und Johnson eine Zahnseide auf den Markt, die damals tatsächlich noch aus Seide war. In den 1940er Jahren wurde Zahnseide dann zum ersten Mal aus Nylon hergestellt, gewachst und ungewachst. Mittlerweile gibt es eine Vielzahl an Produkten und Methoden für die Zahnzwischenraumreinigung. Prophy sprach mit Univ.-Prof. Dr. Ines Kapferer-Seebacher von der Zahnklinik Innsbruck.

 

Das Swiss Dental Journal publizierte 2019 Ergebnisse einer Umfrage, bei der 78 Prozent der befragten Schweizer angaben, eine Handzahnbürste zu verwenden, 34 Prozent eine elektrische Zahnbürste und immerhin 50 Prozent Zahnseide bzw. Interdentalbürstchen. Nun wissen wir, dass die Schweizer Vorreiter und Musterschüler in Sachen Zahnprophylaxe sind. Vergleichbare aktuelle und repräsentative Daten aus Deutschland und Österreich gibt es nicht.

 

2015 erklärte die Europäische Gesellschaft für Parodontologie anlässlich einer Konsensuskonferenz zum Thema Prophylaxe, dass Interdentalbürstchen das Mittel der Wahl für die Zahnzwischenraumreinigung sind, und bezog sich damit auf die zahlreichen wissenschaftlichen Studien zu diesem Thema. Und weiters: „Zahnseide sollte nur bei Patientinnen und Patienten ohne Gingivitis und Parodontitis empfohlen werden, wenn Interdentalbürstchen nicht durch den Zwischenraum passen“. Argumenten, dass mit Interdentalbürstchen nicht die Kontaktpunkte gereinigt würden, entgegnet Kapferer-Seebacher so: „Der Kontaktpunkt selbst muss ja auch nicht gereinigt werden. Dort wo die Zähne sich innig berühren, gibt es keine Plaque, sondern direkt darunter siedelt sich die Plaque an und dort entsteht auch die Kontaktpunktkaries.“

 

Ein Hauptproblem der Zahnseide ist die mangelnde Compliance der Patienten und die schwierige Technik. Viele wenden die Zahnseide falsch an. Kapferer-Seebacher: „Alleine der Begriff Zahnzwischenraumreinigung ist für viele Menschen irreführend. Wir wollen ja nicht den Zahnzwischenraum, also die Luft zwischen den Zähnen reinigen und Speisereste entfernen, sondern die Plaque von den Zahnflächen abwischen. Die richtige Anwendung muss den Patientinnen und Patienten unbedingt gezeigt und mit ihnen geübt werden“.

 

Zahnseide vor oder nach dem Zähneputzen?

Dazu Kapferer-Seebacher: „Das ist eine Frage auf hohem Niveau. Als Zahnärztin begrüße ich es, wenn überhaupt effizient geputzt wird und die Zwischenräume auch bedacht werden.“ Dennoch: Die Expertin verweist auf eine rezente Cross-Over-Studie, bei der Plaque- und Blutung an 35 Studierenden der Zahnmedizin über zwei Wochen beobachtet wurde. Das Studienergebnis: Die Verwendung der Zahnseide vor der Zahnbürste brachte statistisch geringere Plaque- und Blutungslevel als wenn die Zahnseide danach verwendet wurde.  Eine andere Studie aus dem Jahr 2018 zeigt, dass zusätzlich mehr Fluorid in die Zahnzwischenräume gelangt, wenn die Zahnseide vor dem Zähneputzen angewendet wird.

 

Wenn Interdenal-Bürstchen, welches?

Eine klinische Untersuchung rund um HC. Larsen aus dem Jahr 2017 untersuchte, ob konische oder zylindrische Bürstchen mehr Plaque entfernen. Dabei verwendeten zwei Gruppen von Parodontalpatienten in der Recallphase drei Monate lang entweder konische oder zylindrische Bürstchen. Bukkal sahen die Autoren keinen Unterschied in Plaque und Blutung zwischen zylindrischen und konischen Bürstchen. Lingual/Palatinal allerdings entfernten die zylindrischen Bürstchen statistisch signifikant mehr Plaque und führten zu einer reduzierten Blutung im Vergleich mit den konischen Bürstchen.

 

Eine Schwachstelle der Interdentalbürstchen sieht Kapferer-Seebacher bei der Reinigung mit zylindrischen und noch deutlicher mit konischen Bürstchen an den sogenannten Line-Angels, also der stärksten Rundung der Zähne, und das vorallem palatinal/lingual bei den Molaren. Sie verweist auf eine eigene Untersuchung an der Medizinischen Universität Innsbruck. Dabei wurde die Reinigungseffizienz von zylindrischen und taillierten Interdentalbürsten in einer Cross-over Studie untersucht. Werden bei Parodontalpatienten in der Recallphase die zylindrischen Bürstchen nur von bukkal verwendet, bleibt palatinal/lingual an diesen Line-Angeln Plaque liegen. Genau hier sind aber im Oberkiefer auch die Furkationseingänge, die unbedingt sauber gehalten werden müssen. „Taillierte Bürstchen reinigen an diesen Stellen statistisch signifikant besser“, erklärt Kapferer-Seebacher.

 

Implantate richtig reinigen.

Kapferer-Seebacher Anregung: „Implantologen und Prothetiker sollten vielmehr darüber nachdenken, wie die prothetisch versorgten Implantate am besten gereinigt werden können. Sind die Implantate mit tulpenförmigen Kronen versorgt, geht das eigentlich nur mit der Seide. Die Anwendung ist allerdings sehr schwer. Einige Prothetiker setzen auch aus ästhetischen Gründen im Molarenbereich Kronen ein, die nach bukkal einen Überhang haben. Diese Kronen sind beim bestem Willen nicht putzbar.“ Kapferer-Seebacher verweist auf zahlreiche Studien, die belegen, dass Plaque am Zahnfleischrand zu Entzündungen um die Implantate führt. Prothetiker sind also gefordert in ihren Überlegungen die Frage einzubeziehen wie die Reinigung am besten praktikabel ist.

Zylindrische Bürstchen reinigen lingual / palatinal nicht so gut wie taillierte Bürstchen.

Eine motivierte Mutter hat bei ihrem Kind (Wechselgebiss) durch die monatelange falsche Anwendung der Zahnseide Rillen in das Zahnfleisch gefeilt.

Alle Zahnfotos: © Univ.Prof. Dr. Ines Kapferer-Seebacher