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Was macht die Prophylaxe in der Kieferorthopädie zur Herausforderung?

By: | Tags: , , , , | Comments: 0 | November 21st, 2023

Wie Zahn und Zahnfleisch mit den richtigen Begleitmaßnahmen auch während der kieferorthopädischen Behandlung gesund bleiben können – ein fundiertes Praxiskonzept.

DH Petra Natter, BA

Zeitnahe Berührung mit der Prophylaxebehandlung

Der Stellenwert der Prophylaxe in der modernen Zahnheilkunde ist unumstritten. Gezielte Mundhygieneaufklärung für die Patienten und regelmäßige Prophylaxesitzungen in der Zahnarztpraxis sind als Basis für den Erfolg der kieferorthopädischen Behandlung unerlässlich, noch aber fehlt dafür in vielen Praxen ein geeignetes Konzept. Das Karies- und Gingivitis Risiko können während des Tragens einer kieferorthopädischen Apparatur stark ansteigen, deshalb müssen in der häuslichen und professionellen Prophylaxe unbedingt geeignete präventive Maßnahmen zum Einsatz kommen. Wie, wie häufig und mit welchen Hilfsmitteln macht es Sinn den kieferorthopädischen Patienten zu begleiten? Was kann das gesamte Praxisteam dazu beitragen, dieses gemeinsame Ziel – ein perfektes Biofilmmanagement – im Verlauf der kieferorthopädischen Behandlung zu erreichen?

Während der kieferorthopädischen Behandlungszeit eingesetzte präventive Maßnahmen („non-invasive“ Kariestherapie und Gingivitis-Prophylaxe) erhalten wertvolle Zahnhartsubstanz und vermeiden unnötige Zahnfleischprobleme. Die Umsetzung der praktischen Konzepte ist im Rahmen der Praxisstruktur meist personell und materiell eine Herausforderung, doch an erster Stelle müssen die Patienten von der Notwendigkeit eines strafferen und materialintensiveren Recalls überzeugt werden. Prophylaxe bedeutet nicht, nur „mal die Zähneputzen“, oder „zur Mundhygiene gehen“. Die professionelle Zahnreinigung ist ein wichtiger Teil der Prophylaxesitzung, jedoch sind Information, Instruktion und Motivation gleichfalls wesentliche Bestandteile einer strukturierten und erfolgreichen Prophylaxebehandlung. Darüber hinaus sollte vor allem der Anamnese wie auch der Befundung deutlich mehr Zeit gewidmet werden. Diese beiden Teilaspekte können in Absprache mit dem Zahnarzt den richtigen Therapieansatz aufzeigen. So wird bei der Vorauswahl der zu behandelnden Patienten bereits ein gewichtiger Faktor, die Mitarbeit, festgelegt. Zusammen mit den Patienten bzw. deren Eltern können Behandlungsziele definiert, und die geeigneten Maßnahmen, die To Do´s, vereinbart werden.

Am Anfang der Behandlung sollte ein eingehendes Beratungsgespräch durch den behandelnden Kieferorthopäden erfolgen, dies erleichtert die gemeinsame Zusammenarbeit mit dem Patienten und den Eltern enorm. In jedem Fall sollen die einvernehmlich festgelegten Behandlungsziele, die vereinbarten Maßnahmen, Stichtage für die Kontrolle der Ziele innerhalb des Therapiezeitraums, sowie die Behandlungstermine schriftlich festgehalten werden. Als Ergebnis liegt ein auf den einzelnen Patienten maßgeschneidertes Therapiekonzept, inklusive Termine, vor. Dabei ist es wichtig, dass alle Beteiligten immer klar und direkt untereinander kommunizieren (Kieferorthopäde, Prophylaxeassistentin, Empfangsmitarbeiter, Patient und die Eltern). Diese systematische Vorgehensweise zeichnet die „Kieferorthopädisch orientierte Zahnarztpraxis – mit Schwerpunkt Prophylaxe“ besonders aus, und gewährleistet einen maximalen Behandlungserfolg.

Somit ist es die Aufgabe des Kieferorthopäden, aufgrund der ausführlichen Anamnese und Befundung, das Behandlungskonzept dem Kariesrisiko anzupassen. Dies kann sowohl mit der Entscheidung über abnehmbare, festsitzende oder Hybrid Apparaturen erfolgen, aber auch durch die Auswahl der für den individuellen Fall idealen Brackets und der Möglichkeit verschiedenster mechanischer Apparaturen.

Welche Schritte sind dazu in der Zahnarztpraxis und im Mitarbeiterteam nötig und welche Kolleginnen sollten besonders auf die Betreuung der Patienten vorbereitet werden? Welche Seminare sind, dafür sinnvoll, und woher bekomme ich mein Praxiskonzept? Die kieferorthopädisch ausgerichtete Zahnarztpraxis sollte gut vorbereitet sein, um diesen Herausforderungen gerecht werden zu können.

Beginnen wir mit der Anamnese:

Anamnese:
Die Anamnese informiert den Zahnarzt über vorangegangene und aktuelle Krankheiten, sowie über die Medikamenteneinnahme. Außerdem sollte eine Ernährungs- und Mundhygieneanamnese erhoben werden.

Die Medikamentenanamnese ist bereits bei Kindern und Jugendlichen sehr wichtig, da zunehmend mehr junge Menschen Medikamente einnehmen, oder Allergien vorhanden sind. Ist der Zahnschmelz noch nicht vollständig ausgereift, wie bei den Heranwachsenden, ist das Kariesrisiko infolge von Speichelreduktion massiv erhöht. Gleichfalls ist es sehr wichtig, die Habits und Ernährungsgewohnheiten der Patienten zu erfassen, um eine geeignete Beratung anbieten zu können. Hormonelle Umstellungen durch Kontrazeptiva, aber auch durch die Wechseljahre, verändern das Zahnfleisch und den Speichelfluss der weiblichen Patienten, und sollten unbedingt berücksichtigt werden.

Die Ernährungsanamnese beinhaltet wichtige Informationen zum Ess- und Trinkverhalten des Patienten. Besonders Gewohnheiten in der Schule und der Freizeit sollten analysiert werden. Dafür kann ein Ernährungsprotokoll von Vorteil sein, um den versteckten Zucker zu finden und den richtigen Platz der Zuckerimpulse festzulegen. Eine Bewertung des Speichels, wie die Speichelmenge, kann weitere hilfreiche Informationen geben. Trinkgewohnheiten können verändert, sowie geeignete Mineralisierungsmaßnahmen (Fluoride, Kalzium, Phosphate, Hydroxylapatit) eingeleitet werden.
Eine individuelle schriftliche und mündliche Anamnese ist daher vor Beginn der kieferorthopädischen Behandlung unabdingbar.

Befunde:
Die zu erhebenden Befunde variieren je nach Praxis und Infrastruktur. Optimal ist es, durch den dmft/DMFT-Index das bestehende Kariesrisiko des Patienten zu erfassen. Ausgehend vom akuten Risiko, sollte ein geeignetes Präventions- oder Behandlungskonzept erstellt werden. Folgende Befunde sind optional:

Der dmft/DMFT-Index dokumentiert das vergangene Kariesgeschehen und hilft das aktuelle Kariesgeschehen einzuschätzen. Meist sind es Neupatienten, die sich in der KFO-Praxis vorstellen.

Der Plaque-Index (API) ist wichtig, da Karies, Gingivitis wie auch Parodontitis durch den bakteriellen Biofilm gefördert werden können. Der Plaque-Index gibt Auskunft über das aktuelle Putzverhalten des Patienten. Werden die Zähne angefärbt, kann das Ergebnis wesentlich anschaulicher und genauer beurteilt werden.

Der Blutungsindex (SBI/PBI) zeigt die vorhandene, eventuell chronische Entzündung des Zahnfleisches an. Mit einer WHO-Sonde wird die Gingiva mit leichtem Druck von ca. 25 g sondiert, und nach wenigen Sekunden die Reaktion überprüft. Die Blutung zeigt eine Entzündung, ob durch den Biofilm oder hormonell induziert, dass muss durch das Anfärben unterschieden werden.

Parodontal-Index PGU/Taschentiefenbefund STI: Auch bei jungen Patienten soll frühzeitig die Diagnose einer möglichen Parodontitis vorliegen. Durch eine Sondierung, besonders der OK Inzisiven und der Molaren können frühzeitiger Abbau des Kieferknochens erkannt werden.

Mögliche Schäden der Zahnhartsubstanz (Erosionen), sowie Rezessionen des Zahnfleisches sollten frühzeitig entdeckt, und in der Behandlungsplanung und den Prophylaxe-Maßnahmen berücksichtigt werden. Es sollte eine Risikoeinschätzung stattfinden, um rechtzeitig mit notwendigen Maßnahmen zu beginnen.

Motivation und Instruktion sind ein weitreichendes Thema. Fakt ist: Wenn der Patient nicht überzeugt ist, dass die eingeleiteten Maßnahmen für ihn von enormer Wichtigkeit sind, dann sind die Behandlungsziele gefährdet. Die Durchführung von Maßnahmen seitens des Patienten (To-Do´s), soll während der Behandlungsstrecke regelmäßig überprüft, und gegebenenfalls vertieft werden. Ebenso sollte die ausführende Prophylaxeassistentin profunde Kenntnisse aller Mundhygieneartikel und Putztechniken besitzen, um den Patienten entsprechend anleiten zu können.

Fluoridempfehlungen: Eine zusätzliche Mineralisierung der Zähne wird bei einer kieferorthopädischen Behandlung empfohlen. Ergänzend zur professionellen Anwendung von Fluoridlacken in der Praxis sollten häusliche Fluoridapplikationen durch den Patienten intensiviert werden. Idealerweise wird eine Fluoridanamnese erhoben, um eine Überdosierung an Fluoriden zu vermeiden. Ebenfalls kann ergänzend zur Fluoridempfehlung auch Kalzium, Phosphat und Hydroxylapatitpasten in die Therapie integriert werden.
Viele Patienten schätzen die individuelle Beratung durch das fachlich geschulte Praxisteam und sind zur Mitarbeit bereit, damit ein guter Behandlungserfolg gewährleistet werden kann.

Praktischer Ablauf einer Prophylaxe Sitzung in der KFO
Das oberste Ziel ist ein gezieltes Biofilmmanagement, um Zahn- und Zahnfleisch zu schützen. Mit der vorausgegangenen Anamnese, Befundung und Motivation, kann gezielt auf die Problematik des Patienten eingegangen werden. Instruktionen sollten wiederholend und individuell angepasst durchgeführt werden.

Der praktische Teil der Zahnreinigung muss gewebeschonend und effizient erfolgen, und dem Patienten helfen, ein Frischegefühl im Mund zu erleben. Die therapeutischen Maßnahmen, wie Remineralisierung der Zähne durch Fluoride, Kalzium, Phosphate und Hydroxylapatit werden gemäß Notwendigkeit eingesetzt. Dazu gibt es auf dem Dentalmarkt sehr gut anwendbare Mineralisierungslacke in Kombination mit Fluorid und Kalzium. Die häusliche Anwendung der einzelnen Produkte sollte erklärt, und mit einer Informationsanleitung begleitet werden. Die Wiedereinbestellung sollte nach dem eingestuften Risiko vorgenommen werden, dies wird innerhalb des Praxisteams, wie auch gegenüber dem Patienten klar kommuniziert.

Zusätzliche chemische Plaquereduktion durch Spüllösungen erleichtert dem Patienten während einer kieferorthopädischen Behandlung das Biofilmmanagement. Dabei sollten Anwendungsdauer und mögliche Nebenwirkungen konkret besprochen werden.

White Spots (Karies in einem sehr frühen Stadium) können bereits nach 4 Wochen kieferorthopädischer Behandlung entstehen. Das Mundmikrobiom verändert sich, und das kariesverursachende Bakterium Streptococcus mutans kann sich vermehren, wodurch das Kariesrisiko steigt. Auch das Gingivitis Risiko steigt durch mangelnde Reinigung, und zusätzlich ist die Immunantwort durch reduzierten Speichel eingeschränkt. Das zahnärztliche Team ist kontinuierlich gefordert die Patienten durch gezielte Maßnahmen zu schützen und begleiten.

Fazit

Grundsätzlich sollte sich jedes Praxisteam folgende Fragen stellen, für den Fall, dass eine kieferorthopädische Prophylaxe angeboten wird: Wer übernimmt während der risikoreichen Zeit die Betreuung der Patienten: Kieferorthopäde oder Hauszahnarzt? Die optimale Interaktion zwischen Kieferorthopäden/Hauszahnarzt, wie kann diese aussehen? Wie gestaltet sich die Kommunikation zum Wohle des Patienten? Nach welchem Konzept, und mit welchen Produkten ergibt sich ein bestmöglicher Behandlungserfolg? Wie motiviere ich die Patienten und die Eltern zur Mitarbeit? Welche Grundausstattung an Geräten, welches Material und Personal sind nötig, um ein erfolgreiches Konzept in meiner Praxis umzusetzen? Ist Ihre Praxis schon für eine KFO-therapiespezifische Prophylaxe eingerichtet? Welche Risiken sind beim erwachsenen KFO-Patienten in Zusammenhang mit Karies und Parodontitis zu erwarten?

Bereiten Sie Ihr Praxisteam auf die bestmögliche Patientenbehandlung vor, indem Sie das erforderliche Wissen durch ein Einstiegsseminar zu diesem Thema buchen. Seminare werden in Österreich und Deutschland regelmäßig abgehalten, und geben den Zahnarzt- und Prophylaxeassistentinnen die nötigen Grundlagen für eine erfolgreiche Begleitung der KFO-Patienten während der kieferorthopädischen Behandlung.

 

Infobox:

Vortrag und Workshop zu diesem Thema:
44. Bgld. Herbsttagung vom 9.11. – 11.11.2023 in Rust
https://zukunft-zahn.at/

Welche zusätzlichen Herausforderungen stellen sich der KFO – Prophylaxe? Wie wird eine risikoorientierte Prophylaxe-Sitzung durchgeführt?
Welche Ursachen kann dieses Erscheinungsbild haben? Ausschließlich mangelnde Mundhygiene?
White Spots und Zahnfleischentzündung durch mangelnde Mundhygiene und keine zusätzlichen Maßnahmen.
Voraussetzungen für eine kieferorthopädische Behandlung schaffen, durch Mundhygieneinstruktionen und Biofilmmanagement.