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Und bist du nicht willig…

By: | Tags: , , , , | Comments: 0 | März 1st, 2006

Probleme mit der Patientenmitarbeit – was tun?

“Die Straße zur Hölle ist mit guten Vorsätzen gepflastert.“ (Unbekannt, 16. Jahrhundert) – was wie eine Binsenweisheit klingt, ist in Wirklichkeit eine der größten Herausforderungen in den Gesundheitswissenschaften.


Schließlich ist die Patientenmitarbeit (Compliance) nicht nur bei der zahnmedizinischen Prophylaxe entscheidend für den Erfolg einer Behandlung. Oft ist es leider auch nicht damit getan, die Patienten über Sinn und Unsinn prophylaktischer Behandlungen zu informieren und zu demonstrieren, wie sie auch zuhause richtig putzen und zwischen den Zähnen reinigen können. Manchmal fallen genau die Patienten, die während einer Sitzung besonders aufmerksam waren, bei der Nachuntersuchung mit schlechteren Ergebnissen durch niedrigere Compliance auf. Es muss also neben dem Training von Fertigkeiten und der Information der Patienten zusätzliche Faktoren geben, die dafür verantwortlich sind, ob sich jemand auch zuhause an die Zahnpflegeempfehlungen hält oder nicht. Diese Faktoren können beispielsweise in der Interaktion von Zahnarzt/PTA und Patient/Patientin oder aber im psychologischen Bereich liegen.

Klar und knapp informieren

Wie wichtig es ist, Informationen und Anweisungen klar und verständlich mitzuteilen, zeigt eine erschreckende Zahl aus einer – allerdings auch schon etwas älteren – Studie, laut der sich die Patienten unmittelbar nach einem ärztlichen Gespräch nur noch an weniger als die Hälfte der Informationen erinnern konnten. Das heißt, dass man davon ausgehen muss, dass Patienten im besten Fall die Hälfte der Empfehlungen und Informationen aus einer prophylaktischen oder zahnmedizinischen Behandlung mit nachhause nehmen. Was also tun? Am wichtigsten ist sicherlich, Informationen klar und knapp zu präsentieren. Was eigentlich selbstverständlich sein sollte (Vermeiden medizinischer Fachbegriffe, genaues Erklären der Zusammenhänge von Erkrankungen), hat leider oft noch Verbesserungspotenzial. Erst wenn die Patienten über die genauen Zusammenhänge von Mundhygiene, Plaqueentstehung sowie Zahn- und Zahnfleischerkrankungen Bescheid wissen, können sie sich dafür entscheiden, regelmäßig Mundhygiene zu betreiben. Da schadet es nicht, sich zu wiederholen und im Zweifelsfall immer die einfachsten Begriffe zu verwenden, also beispielsweise „Zahnfleischentzündung“ statt Gingivitis, „Zahnseide benutzen“ statt Interdentalhygiene und derlei mehr.

Schwierig zu realisieren, aber genau so wichtig ist es, den Patienten nicht wertend gegenüber zu stehen, aber doch auf Defizite in der Mundhygiene aufmerksam zu achen. Wer sich beleidigt, als Person nicht ernst genommen oder als Schmutzfink behandelt fühlt, kommt nicht wieder und wird sich kaum an Empfehlungen zur Mundhygiene halten.

Gesundes Selbstvertrauen

Information ist aber nicht alles. Mindestens genauso wichtig für regelmäßige Mundhygiene zuhause sind psychologische Faktoren, die direkt auf die Motivation der Patienten einwirken. Hier sind besonders die Risikowahrnehmung, die Erwartung persönlicher Vorteile von Verhalten und die optimistische Überzeugung, das auch schaffen zu können, ausschlaggebend. So konnte in einer Studie gezeigt werden, dass Teilnehmer, die es sich zutrauten, regelmäßig Zahnseide zu benutzen, tatsächlich auch geringere Plaque aufwiesen. Dieses Selbstvertrauen kann man stärken, indem man mit den Teilnehmern übt und ihnen so klar macht, wie einfach korrekte Zahnhygiene durchzuführen ist.

Lebensdauer guter Vorsätze

Oft reicht diese Motivation – deswegen auch das Zitat am Anfang – aber auch nicht aus, um wirklich regelmäßig Zahnhygiene zu betreiben. Auch wer sich fest vorgenommen hat, regelmäßig eine neue Verhaltensweise zu beginnen oder eine alte zu ändern, sieht sich einer Vielzahl möglicher Probleme gegenüber. Ganz abgesehen davon, dass gesundheitlich wichtige Verhaltensweisen wie regelmäßige Interdentalhygiene, gesündere Ernährung oder regelmäßiger Ausdauersport am Anfang eigentlich keinen Spaß machen, könnten gute Gelegenheiten zum Handeln verpasst werden, könnten die Vorsätze schnell wieder vergessen werden oder könnten verschiedene Dinge, die im Moment einfach attraktiver scheinen, dazwischen kommen. Und schon wird der Vorsatz verschoben oder vergessen. Eine Strategie, die sich hier bewährt hat und die sich zudem noch recht einfach in machbare Maßnahmen umsetzen lässt, ist die konkrete Planung von „Wenn-dann-Zusammenhängen“. Hier machen sich die Patienten im Vorhinein genaue Pläne, wann, wo und wie genau sie beispielsweise Zahnseide benutzen wollen, also: „Jeden Abend nach dem Zähneputzen (wann?) benutze ich vor dem Spiegel im Badezimmer (wo?) korrekt Zahnseide (wie?).“ Diese ganz konkrete bildhafte Vorstellung führt, wenn die Patienten sich in der entsprechenden Situation befinden, dazu, dass die Vorsätze schneller, zuverlässiger und öfter ausgeführt werden.

Obwohl sich das vielleicht ein wenig banal anhört – es leuchtet schließlich ein, eher das zu tun, was man genau geplant hat –, so finden sich in verschiedenen gesundheitlichen Bereichen wie Ernährung, körperliche Aktivität oder eben Interdentalhygiene starke Hinweise darauf, dass Patienten, die einen solchen konkreten Wenn-dann-Plan formulieren, auch tatsächlich öfter zur Zahnseide greifen. Wichtig ist, dass die Situation, in der Mundhygiene durchgeführt werden soll, vom Patienten ganz konkret und möglichst genau beschrieben wird, dann der Plan formalisiert und am besten als Satz zu Papier gebracht wird. So formulierte Pläne können dazu führen, dass wichtige Schlüsselreize in den Situationen schneller erkannt werden, dass die Zahnpflege in diesem Moment über andere Verhaltensweisen Priorität gewinnt und der Griff zur Zahnseide schlussendlich wahrscheinlicher wird.

 

Autor:
Benjamin Schütz
Arbeitsbereich Gesundheitspsychologie
Freie Universität Berlin

 

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