Komplikationen bei Piercings
Vor allem vor Unterlippenpiercings wird gewarnt.
Direkt nach dem Piercen kommt es fast immer zu Schwellungen, und die Patienten haben Probleme beim Schlucken, Sprechen und Kauen.
Selten werden auch lang anhaltende Blutungen, schwerwiegende Infektionen oder postoperative Sensibilitätsstörungen beobachtet. Zu den langfristigen Nebenwirkungen zählen lokale Entzündungen, Hautirritationen, Allergien und Schäden an Zähnen und Zahnfleisch.
Zahnfleischschäden vor allem bei Piercings in der Unterlippenmitte
In den letzten Jahren wurden in Österreich mehrere Studien über die Komplikationen oraler Piercings durchgeführt und in deren Rahmen insgesamt mehr als 200 Piercings untersucht. Die Teilnehmer an den Studien beantworteten Fragen über Probleme mit den Piercings und wurden intensiv nach Schäden an Zähnen und Zahnfleisch geprüft. Typische Zahnfleischschäden waren Rezessionen oder sogar Knochenverluste im Sinne einer lokalisierten Parodontitis. An den Zähnen wurden Frakturen beobachtet oder kleine Absplitterungen. Am häufigsten waren diese Komplikationen bei Piercings in der Unterlippenmitte. Bei 72% dieser TestpatientInnen zeigte das Zahnfleisch leichte bis massive Schäden. Bei den meisten Piercings in der Unterlippenmitte ist das Zahnfleisch an der Stelle, wo der Verschluss des Piercings auf das Zahnfleisch auftrifft, um einige Millimeter zurückgegangen, sodass die darunter liegende Zahnwurzel freiliegt. Einige PatientInnen (4%) zeigten sogar eine Schädigung und Entzündung des darunter liegenden Knochens im Sinne einer lokalisierten Parodontitis. Die Zähne selbst zeigten nur minimale bis keine Schäden. Manchmal waren Matzen an den Zähnen zu sehen, die durch das Aufschlagen des Piercingverschlusses auf die Zähne zustande gekommen waren. Aber richtige Frakturen oder Sprünge waren bei den Unterlippenpiercings nie zu beobachten.
Auch bei anderen Lippenpiercings seitlich an Ober- oder Unterlippe kam es nur selten zu Zahnschäden. Nur 4 von 80 Untersuchten hatten sich mit dem seitlichen Lippenpiercing ein Stück Zahn ausgebissen. Schäden am Zahnfleisch wurden überhaupt nicht beobachtet. Auch die Zahn- und Zahnfleischschäden bei Zungenpiercings hielten sich in Grenzen. 10% hatten sich ein Stück Zahn ausgeschlagen, und nur 2% zeigten Rezessionen an den Unterkieferfrontzähnen. Diese Rezessionen kommen dadurch zustande, dass die Piercingkugel an der Zungenunterseite immer wieder am Zahnfleisch aufschlägt.
Wie können diese Schäden vermieden werden?
Ob das Zahnfleisch durch ein Lippenpiercing geschädigt wird, hängt vor allem davon ab, wo der Verschluss des Piercings zu liegen kommt. Liegt er auf Höhe der Zahnkrone, wird das Zahnfleisch nicht beeinträchtigt. Drückt der Verschluss jedoch auf den Zahnfleischrand, so zieht sich das Zahnfleisch an dieser Stelle zurück. Deshalb kommt es auch bei seitlichen Lippenpiercings zu keinen Zahnfleischschäden, da hier der Piercingverschluss automatisch auf der Zahnkrone zu liegen kommt. Auch tragen die meisten Personen im seitlichen Lippenbereich Kunststoffpiercings. Diese scheinen das Zahnfleisch weniger zu irritieren als Metallpiercings. Mit Kunststoffpiercings kann man auch Zahnfrakturen weitestgehend vermeiden, da sie weicher sind. Auch bei Zungenpiercings sollten die Kugeln aus Kunststoff sein, um Zahnfrakturen zu vermeiden. Der Nachteil von Kunststoffpiercings ist, dass sie schneller zerkaut sind und unappetitlich aussehen. Auf den Piercings sammeln sich allerhand Bakterien an. Es ist anzunehmen, dass sich auf Kunststoffpiercings mehr Bakterien ansammeln als auf den Titan- oder Stahlpiercings, was bei bestimmten Kunststoffen auch der Fall ist.
Piercings aus Polytetrafluorethylen (PTFE) wurden in unseren Studien jedoch deutlich weniger von Bakterien besiedelt, als alle anderen Materialien. Trotzdem müssen auch diese Piercings regelmäßig gereinigt werden; am besten mit einer weichen Zahnbürste und durch Einlegen in eine antibakterielle Mundspüllösung.
Zusammenfassung
Aus heutiger Sicht muss von Piercings in der Unterlippenmitte dringend abgeraten werden. Wenn trotz aller Warnungen ein Unterlippenpiercing gesetzt wird, sollte der Verschluss an der Lippeninnenseite nicht auf das Zahnfleisch drücken, sondern auf Höhe der Zahnkronen auftreffen. Bei allen Lippen- und Zungenpiercings können derzeit PTFE-Piercings empfohlen werden. Diese PTFE-Stifte können bei Lippenpiercings ohne Bedenken mit Metallkugeln verwendet werden, nicht jedoch bei den Zungenpiercings, da sollten alle Teile aus Kunststoff sein. Um Infektionen zu vermeiden, müssen alle Piercings regelmäßig entnommen und gereinigt werden.
Autorin:
Dr. med. dent. Ines Kapferer
Univ. Ass.
Innsbruck
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