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Luisa Winkler

„Ich will kein Gemüse!“

By: | Tags: , , | Comments: 0 | November 21st, 2023

Luisa Winkler
Luisa Winkler

Zur Person

Luisa Winkler ist Dentalhygienikerin: ZFA, ZMP, DH, Autorin für Fachartikel, Trainerin der Swiss Dental Academy 2020-2022, selbstständige Referentin „Zahngesund Leben“ und bietet Praxisschulungen zum Thema Ernährungslenkung an.

Winkler ist auch Ernährungsberaterin, sie absolvierte 2020 ein Fernstudium (SGD) für Mensch & Tier. Momenten absolviert Sie zusätzlich ihren Bachelor in Ernährungstherapie (Hochschule Anhalt).

Tipps für Ernährungslenkung bei Kindern

Interview mit Luisa Winkler, Dentalhygienikerin und Ernährungsberaterin

Warum ist Ernährungslenkung in der Kinderprophylaxe wichtig und was ist damit gemeint?

Es geht ganz klar um nachhaltige Prävention und Zahngesundheit. Ernährung ist ein sehr sensibles und auch emotionales Thema. Gerüche, Geschmäcker – all das ruft Erinnerungen in uns hervor und es ist natürlich so, dass jeder damit sehr persönliche Erfahrungen hat. Nur Wenige halten sich laut Umfragen an die Empfehlung fünf Mal am Tag Obst und Gemüse zu essen. Hingegen liegt der Prokopfverbrauch von Haushaltszucker bei rund 34 Kilogramm im Jahr. Jeder Erwachsene, der schon einmal versucht hat, Zucker zu reduzieren, weiß wie schwer das fällt. Was in frühester Kindheit an unausgewogenen Ernährungsgewohnheiten erlernt wird, setzt sich leider häufig über das Jugend- und Erwachsenenalter fort. Deshalb sollten wir schon möglichst früh ansetzen.

Was beeinflusst eigentlich unsere Prägung hinsichtlich Geschmack?

Die ersten Einflussfaktoren auf Geschmackspräferenzen passieren schon in der Schwangerschaft. Auch später in der Stillzeit, basierend auf der Ernährung der Mutter. Später wirken die Beikost und beim Kleinkind all die Aromen und Geschmackskomponenten in der Familienernährung mit ein.

Spannend aber ist, dass je öfter wir Kindern ein Lebensmittel vorsetzten – wie zum Beispiel ein gesundes Gemüse, -desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass es akzeptiert wird. Man nennt das Repeatet-exposure (Anm.: wiederholte Exposition), gemeint ist damit, dass hierbei 6-10 Kontakte mit dem „unbekannten“ Lebensmittel notwendig sind bis Akzeptanz erfolgt. Also gleich ein Tipp an alle Mamas und Papas: das Kind immer wieder probieren lassen und nicht gleich aufgeben, wenn es darum geht, dem Kind Brokkoli schmackhaft zu machen.

Gesunde Kinderernährung, was heißt das eigentlich?

Grundsätzlich gelten für Kinder die gleichen Regeln, wie für Erwachsene: Möglichst viel Gemüse, Salate, Rohkost am Tag, naturbelassenes Obst (in Maßen), zugesetzten Zucker stark reduzieren und Vollkornprodukte statt Weißmehl.

Gemeinsame Mahlzeiten zum Beispiel sind ganz wichtig, zumindest einmal am Tag sollte man dies ermöglichen. Denn die Kinder orientieren sich auch an Vorbildern und wenn sie sehen und erleben, was Eltern essen, hilft das enorm in ihrer eigenen Prägung. Genauso wichtig ist es, auf Hunger und Sättigung zu achten. Kinder setzen Signale, etwa bei Sättigung, wenn sie beginnen, mit dem Essen zu spielen, oder bei Hunger, wenn sich das Kind zum Essen oder der Person zuwendet, oder zum Besteck greift. Wichtig ist es meiner Meinung nach, die Lebensmittelvielfalt der Kinder zu fördern. Das gelingt am besten bis zum Alter von zwei Jahren.

Die Eltern oder Erziehungsberechtigten spielen auf jeden Fall eine Schlüsselrolle. Sie wecken die Neugier des Kindes, wenn sie Speisen abwechslungsreich, appetitlich und kindgerecht (z.B. hinsichtlich Textur und Größe der Lebensmittelstücke) anrichten und auch selbst genussvoll mitessen. Hilfreich ist auch, wenn die Kinder so früh wie möglich in den Zubereitungsprozess einbezogen werden. Oder sie helfen beim Einkaufen von gesunden Lebensmitteln mit. Die Kinder sollen auch mitentscheiden dürfen. Ein Kind muss nicht jedes Lebensmittel lieben. Essen sollte schließlich kein Zwang sein.

„No-Go Sätze“:

  • „Iss den Teller auf“.
  • „Iss doch etwas Obst, das ist gesund und liefert viele Vitamine“.
  • „Es wird gegessen was auf den Tisch kommt.“
  • „Wenn du aufisst, scheint morgen die Sonne“.
  • „Du bist zu dünn/zu dick, du musst mehr/weniger essen“.
  • „Wenn du dein Gemüse aufisst, gibt es auch Nachtisch“.
  • „Zur Belohnung gibt es Schokolade“.

Wie können Eltern schwierige Situationen meisten?

Am besten ist es, ruhig zu bleiben. Meist besteht kein Anlass zur Sorge, wenn über einen gewissen Zeitraum bestimmte Lebensmittel abgelehnt werden.  Essen ist keine Leistung und man sollte keinen Druck ausüben, also auch keine Sanktionen auferlegen. Außerdem „Gesund“ ist für ein Kind kein Argument, sondern vielmehr der gute Geschmack. Eltern, Geschwister oder andere Familienangehörige sind hier große Vorbilder. Ist es für die Familie selbstverständlich, dass oft und vor allem gerne Gemüse gegessen wird, ahmt das meist auch der Nachwuchs nach.

Welche Tipps können Sie Eltern geben?

Ich würde drei Tipps zusammenfassen: Nicht zu viel auf einmal ausprobieren, sondern mit ausreichend Zeitabstand und immer Neues mit Vertrautem mischen. Regeln wie essensfreie (zuckerfreie) Zeiten einführen. Und immer wieder selbst gutes Vorbild sein.

Können Sie uns ein paar Tipps und Tricks für die Zahnarzt-Praxis geben?

 Wir achten in der Zahnarztpraxis ganz besonders auf die Prophylaxe. Gesunde Zähne beruhen bekanntlich auf den vier Säulen Zahnpflege, Ernährung, Zahnarztbesuch und Fluoride. Letztere haben den größten kariespräventiven Effekt. Ich möchte hierbei auf die aktuelle Fluorid-Leitlinie* verweisen.

Aber auch Ernährungslenkung kann nachhaltige die Zahngesundheit positive beeinflussen, hier spielen bei Kindern vor allem die Reduktion von süßen Getränke und Süßigkeiten eine Rolle. Familien, die auf Fluorid verzichten sind noch dringender angehalten, auf zugesetzten Zucker zu verzichten. Letzen Endes gehen alle Säulen Hand-in-Hand und Zahngesundheit gelingt auf Dauer nur gemeinsam.

Sie sprechen sich für die Früherkennungsuntersuchung aus?!

Ja, ab dem sechsten Monat kann in Deutschland in der zahnärztlichen Praxis in verschiedenen Zeitabständen diese Untersuchung/Beratung durchgeführt werden. Sie wird jedoch leider noch viel zu selten gemacht. In Deutschland gibt es den Zahnärztlichen Kinderpass, der als Beratungstool schon hilfreich ist. Eine andere Möglichkeit ist ein Anamnesebogen, der Ernährung und Mundhygiene bei Kindern erfasst. Dieser könnten an die Eltern weitergeben werden und vielleicht auch online angeboten werden.

Was bedeutet zahngesund?

Zahnschädliche Lebensmittel sind süße Zwischenmahlzeiten wie Kekse oder salzige Snacks wir Chips, klebrige Lebensmittel (weiche, klebrige Kinderprodukte wie z.B. Fruchtriegel), Quetschies (Fruchtpüree aus der Tüte), zuckerhaltige Getränke und Säfte. Zahngesunde Lebensmittel sind all jene, die intensives Kauen brauchen (Rohkost, Vollkornprodukte), Pausen (3-4 Stunden zwischen den Mahlzeiten), Stück statt Brei (Apfel), Zwischenmahlzeiten wie Nüsse, Käse, Joghurt anstatt Süßes. Wenn Süßigkeiten, dann bitte begrenzen und Regeln aufstellen. Am Ende des Tages ist die Menge entscheidend.

Wie funktioniert Ernährungslenkung in der Praxis

Unsere Aufgabe ist es, den Weg zu zeigen wie gesunde Ernährung aussieht. Wir brauchen nicht nur therapeutische, sondern auch motivierende Ansätze. Wir wissen ja alle was gesund ist. Wir brauchen patientenorientierte Kommunikation. Meine Ziele sind: Zuckerreduktion anstatt Verzicht. Senkung der Zuckerfrequenz. Keine sauren oder süßen Getränke zwischen den Mahlzeiten.  All das nicht nur als Eltern, sondern auch in der Zahnarztpraxis zu vermitteln, ist enorm wichtig.