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Frauen in der zahnärztlichen Prophylaxe – Was sollte beachtet werden?

By: | Tags: | Comments: 0 | April 14th, 2023

Angefangen von der Pubertät über die Schwangerschaft bis hin zu den Wechseljahren beeinflussen Hormone Frauen anders als Männer. Wie wirken sich weiblichen Hormone auf die Gesundheit der Mundhöhle bei Frauen aus? Über welche Expertise sollte das Team der Zahnarztpraxis diesbezüglich verfügen und bei der Behandlung gegebenenfalls berücksichtigen? Der folgende Überblick über die hormonell geprägten Lebensphasen der Frau (Pubertät – Schwangerschaft – Wechseljahre) aus der Perspektive der präventiven Zahnheilkunde soll das Bewusstsein der zahnärztlichen Mitarbeiter/-innen stärken und es ihnen ermöglichen gerade in der Prophylaxe individueller auf Patientinnen eingehen zu können.

In der zahnärztlichen Praxis ist das gesamte Team gefordert auf die individuellen Bedürfnisse und Anliegen der unterschiedlichen Patientengruppen einzugehen. Die Frage, ob ein Mann oder eine Frau behandelt wird, hat bei der Therapieentscheidung bis dato selten eine große Rolle gespielt. Dabei wurde in den letzten zwei Jahrzehnten klar, dass bei den Patient/-innen nicht nur das Alter, sondern auch das biologische Geschlecht unterschieden werden sollte. Warum? Obwohl Frauen generell nachweislich besser auf ihre Gesundheit achten, ist der Zustand der Mundhöhle bei Frauen im Laufe ihres Lebens von mehr Problemen betroffen als bei den Männer [3]. Die verschiedenen Hormonphasen der Frau haben einen nachgewiesenen Einfluss auf Zähne und Parodontium. Auch der Speichel wird durch die Hormonschwankungen beeinflusst, was sich wiederum in der Kariesaktivität widerspiegeln kann [9].

Gerade in den kritischen Phasen der Hormonumstellung (Pubertät – Schwangerschaft – Wechseljahre) sollten Patientinnen in der Prophylaxe gezielt aufgeklärt werden, um Probleme frühzeitig zu erkennen und gegebenenfalls geeignete Therapieschritte einleiten zu können. Durch eine rechtzeitige Diagnose besteht somit die Möglichkeit auch minimalinvasive und bewährte Präventivstrategien einzusetzen. Hier spielt sowohl die nötige Expertise der zahnärztlichen Mitarbeiter/-innen als auch weitere Aufklärungsinitiativen in der Bevölkerung eine große Rolle, damit die Patientinnen bei Beschwerden bereits frühzeitig in die Zahnarztpraxis kommen. Oft ist der Leidensdruck sehr hoch und die jeweilige Erkrankung schon fortgeschritten, bis die Patientinnen sich an die Zahnarztpraxis wenden. Auch in der Zahnarztpraxis selbst herrscht meist noch große Unsicherheit über den richtigen Umgang mit hormonell verursachten Problemen im Mund der betroffenen Patientinnen.

 

Was bewirken weibliche Hormone im Körper der Frau?

Hormone sind Botenstoffe des Körpers, die zumeist in den endokrinen Drüsen gebildet werden. Über Körperflüssigkeiten lösen sie eine bestimmte Wirkung am jeweiligen Zielort aus. Die Mundschleimhaut ist mit vielen Hormonrezeptoren ausgestattet und wird dadurch, neben der vaginalen Schleimhaut, stark von den weiblichen Botenstoffe des endokrinen Systems (u. a. Steroidhormone wie Östrogen und Progesteron) beeinflusst.

Eine Imbalance dieser Hormone kann auch in der Mundhöhle weitreichende Folgen auf die Schleimhaut haben. Sie wird dünner und dadurch anfälliger. Das den Zahn umgebende Gewebe (Parodontium) verliert an Elastizität und wird durchlässiger, was zu vermehrten Blutungen führen kann. Viele Frauen berichten von leichtem bis starkem Zahnfleischbluten in der Schwangerschaft und in den Wechseljahren, obwohl sie die Putzgewohnheiten nicht veränderten. Durch Abfall der Produktion des Hormones Östrogen, ausgelöst durch die Wechseljahre, kann der bakterielle Biofilm in der Tasche um den Zahn nicht mehr im Gleichgewicht gehalten werden. Ebenfalls wird der
Keratinisierungsgrad des Schleimhautepithels herabgesetzt und damit die Abwehrbereitschaft in der Zahnfleischtasche destabilisiert. Steigt gleichzeitig auch der Progosteronspiegel kommt es zu einer Erhöhung der Entzündungsbereitschaft des Zahnfleisches um den Zahn [6]. Diese Mechanismen haben, wie im Folgenden genauer erläutert, verschiedene Folgen für die Frau in der jeweiligen Phase der Hormonumstellung (Tab. 1).

 

Die Pubertät

Diese erste große Hormonumstellung bei der Entwicklung des Mädchens zur Frau kann zu einer Destabilisierung des ökologischen Gleichgewichts mit einer Verschiebung zugunsten der anaeroben (krankmachenden) Bakterien in den Zahnfleischtaschen in der Mundhöhle führen. Folgend kann, bei gleichzeitig geschwächter Immunabwehr, sehr schnell eine Gingivitis oder das erste Stadium einer Parodontitis entstehen. Kommt nun auch mangelnde Bereitschaft zur häuslichen Mundhygiene während der Pubertät hinzu, können sich sowohl Gingivitis als auch Parodontitis schnell manifestieren. Sind Patientinnen durch die zahnärztliche Prophylaxe gut instruiert und betreiben eine perfekte Mundhygiene, kann die Gingivitis nur lokal und leicht auftreten oder sogar vermieden werden. (Siehe Abbildungen 1 und 2)

 

Die Schwangerschaft

Die Hormonveränderung während der Schwangerschaft löst nicht generell eine Gingivitis oder Parodontitis aus, sondern es kommt vereinzelt durch den Überschuss an Hormonen, die für die Einnistung des Embryos in die Gebärmutter nötig sind, zu Veränderungen am Zahnfleisch. Folglich kann der bakterielle Biofilm mehr Entzündungen verursachen. Ebenfalls verursacht die starke Konzentrationsveränderung von Östrogen und Progesteron eine gesteigerte Kapillarpermeabilität und somit eine Schleimhautdurchlässigkeit und es kommt dadurch zu vermehrten Schwellungen und Blutungen am Zahnfleisch. Wie in der Pubertät kann auch in der Schwangerschaft eine unzureichende häusliche Mundhygiene das Mundhöhlenmilieu negativ beeinflussen [5].
Hormonelle Veränderungen können außerdem ein lokales und schmerzfreies Anschwellen des Zahnfleisches (Hyperplasien) verursachen, die in der Regel jedoch nach der Schwangerschaft wieder verschwinden (Epulis gravidarum). Ist dies nicht der Fall, sollten immer Differenzialdiagnosen mit einbezogen und weitere Maßnahmen ergriffen werden.
Der schwankende Hormonspiegel in der Schwangerschaft führt häufig zu Übelkeit und bedeutet für die Zahnhartsubstanz eine zusätzliche Belastung durch die Magensäure. Erosionsschäden können die Folge sein. (Beispiel in Abbildungen 3 und 4: Die Patientin war im 7. Monat schwanger als sie in die Zahnarztpraxis kam.) Die Diagnose war neben den vorhandenen Erosionen auch eine Parodontitis Stadium III Grad B. Sie wurde über die therapeutischen Möglichkeiten aufgeklärt und kurz nach der Geburt wurde eine Parodontalbehandlung sowie weitere zahnärztlichen Maßnahmen eingeleitet.

Menopause (Prä- Peri- und Postmenopause): Eine einheitliche Begriffsbestimmung für diese Phase der hormonellen Umstellung der Frau gibt es nicht. Generell unterscheidet man die Zeit vor der letzten Menstruation (Prämenopause), um die letzte Menstruation (Perimenopause) und nach der letzten Menstruation (die 1 Jahr nach der letzten Menstruation errechnete Postmenopause). Der gesamte Zeitraum der Hormonumstellung wird Klimakterium (Wechseljahre) genannt und verläuft bei jeder Frau unterschiedlich. Folgend wird der Begriff Wechseljahre für die Zeit der Menopause verwendet.
Durch die reduzierte, beziehungsweise fehlende Steroidhormonproduktion in dieser Zeit kann es auch zu Mundtrockenheit und Zungenberennen (Burning-Mouth-Syndrom) kommen. Jede Frau reagiert individuell und unterschiedlich auf die aufkommenden Probleme der Hormonveränderung und es sollte in der Zahnarztpraxis besonders auf die Symptome geachtet werden, die sich nicht eindeutig zuordnen lassen, um frühzeitig therapeutische Maßnahmen einleiten zu können.

 

Welche Strukturen der Mundhöhle sind besonders von der hormonellen Umstellung der Frau betroffen?

Mundschleimhaut:
In der Pubertät und Schwangerschaft kommt es zu einer erhöhten Durchblutung der Mundschleimhaut (orale Mukosa) und daher auch zu einer Schwellung, die schon bei leichter Berührung zu bluten beginnen kann.
Die orale Mukosa enthält Hormonrezeptoren, die durch die Hormonumstellung während des Klimakteriums die Speichelproduktion reduzieren. Die Folgen sind sehr individuell und können sich in Mundtrockenheit und Schleimhautschmerzen zeigen. Die Schleimhaut selbst wird dünner und deshalb öfter verletzt, da sich die epitheliale Verhornung (Keratinisierung) durch die Hormonumstellung reduziert. Viele Frauen berichten von Zahnfleischbluten trotz guter häuslicher Mundhygiene.

Parodontium:
Das Zahnfleisch und der Knochen rund um den Zahn haben eine Halte- und Stützfunktion und sind durch die Exposition in der Mundhöhle vielen exogenen und endogenen Einflüssen ausgesetzt. Metabolische und immunologische Faktoren beeinflussen die Gesundheit des Parodontium und hierbei verursacht vor allem die hormonelle Komponente in den verschiedenen Lebensphasen der Frau Veränderungen. Der sinkende Hormonspiegel beeinflusst die Knochendichte (Osteoporose) des Kiefer- bzw. Alveolarknochens und es kommt bei Infektion zu vermehrtem Knochenabbau. Auswirkungen zeigen sich oft erst nach der Geburt.
Die Parodontitis kann auch bei schwangeren Frauen auf das Geburtsgewicht des Kindes Auswirkungen haben bzw. zu Frühgeburten führen. Allerdings ist noch nicht eindeutig geklärt, ob hier ein direkter Zusammenhang vorliegt [8].

Zähne: Die Struktur der Zähne ist nicht unmittelbar von der Hormonumstellung betroffen, jedoch besteht die Gefahr, dass durch den reduzierten Speichelfluss das Kariesrisiko steigt. Ebenso kann ein vermehrter Brechreiz während der ersten Wochen der Schwangerschaft zur Belastung der Zähne beitragen und Erosionen verursachen. Deshalb sollten schwangere Frauen gezielt über den richtigen Zeitpunkt der Zahnpflege aufgeklärt werden. (Siehe Abbildungen 3 und 4)

Abbildung 1

Abbildung 2

Abbildung 3

Abbildung 4