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Der Mund und unsere Gesundheit

By: | Tags: , , , , , , | Comments: 0 | Januar 10th, 2007

Der Ausspruch „Gesund beginnt im Mund“ bekommt einen stark erhöhten Stellenwert, weisen diese doch auf eine wesentliche Bedeutung von Zahnfleischerkrankungen für andere Erkrankungen des Körpers hin.


Fortgeschrittene parodontale Erkrankungen mit tiefen Taschen und Zerstörung des Zahnhalteapparates mit Alveolarknochen betreffen ungefähr 10–15 Prozent aller Erwachsenen weltweit. In den westlichen Industrieländern leiden etwa 13 Prozent der Erwachsenen an schweren Formen, 35 Prozent der über 30-Jährigen haben irgendeine Form der Parodontitis. Mit zunehmendem Alter nimmt die Häufigkeit wie auch die Schwere der Erkrankung zu, was die Bedeutung dieser Erkrankungen bei unserer zunehmenden Lebenserwartung unterstreicht. Bei bis zu 90 Prozent unserer Bevölkerung wird eine Gingivitis beobachtet. Durch intensive Prophylaxemaßnahmen und professioneller Mundhygiene erhofft man sich einen Rückgang dieser weit verbreiteten Erkrankung.

Empfindliches Gleichgewicht

Parodontale Erkrankungen starten als Biofilminfektionen des gingivalen Sulkus  am Übergang Zahnfleisch und Zahn. Über 400 verschiedene Mikroorganismen siedeln in diesem „Plaque-Biofilm“, die meisten davon sind harmlos. Einige wenige, gramnegative und anaerobe Mikroorganismen lösen bei empfänglichen Menschen jedoch entzündliche Abwehrreaktionen aus. Dabei wandelt sich die Zahnfleischfurche zu einer krankhaft tiefen „Zahnfleischtasche“ um, in der das empfindliche Gleichgewicht zwischen Bakterien und Körperabwehr fortan gefährdet ist. Gelangen Mikroorganismen oder ihre giftigen Produkte direkt in das Gewebe, wird das körpereigene Abwehrsystem zusätzlich aktiviert und löst eine Abfolge von Maßnahmen aus, die darauf abzielen, den Körper von dieser Bedrohung zu befreien. Die dabei resultierende typische Zerstörung parodontaler Strukturen wird durch körpereigene Stoffe verursacht, die von Abwehrzellen infolge der Entzündung freigesetzt werden.

Zwei mögliche Mechanismen werden für eine allgemeine Belastung der Gesundheit oder Verschlechterung anderer Krankheiten im Körper aus dieser chronischen bakteriellen Infektion des Zahnfleisches diskutiert:

  • Einerseits können aus parodontalen Taschen direkt Bakterien oder ihre Produkte in die Blutbahn ausgeschwemmt werden. Dies sollte bei Behandlungen der Taschen speziell von Risikopatienten (z.B. nach Transplantation oder Herzoperation) nicht vergessen werden.
  • Andererseits stellen diese entzündlich veränderten parodontalen Gewebe eine nicht unbeträchtliche Wundfläche dar (bei unbehandelten schweren Erkrankungen bis zur Größe einer Handfläche!). Die dabei produzierten Entzündungsstoffe können vor allem bei entzündlichen Schüben über den ganzen Körper verteilt werden. Einige dieser Stoffe erhöhen das Risiko für andere Erkrankungen oder gelten als deren Auslöser. Von besonderer Bedeutung in diesem Zusammenhang sind Botenstoffe wie Interleukin 1 und 6 (IL-1,6), Tumor-Nekrose-Faktor α  (TNF-α) und Prostaglandin E2 (PGE2) oder Akut-Phase-Proteine wie  C-reaktives Protein (hs-CRP) und Fibrinogen.

Herz-Kreislauf-Erkrankungen

Arteriosklerose mit ihre schwerwiegendsten Folgen, Herzinfarkt und Schlaganfall, führen die Liste der Todesursachen in den westlichen Industrieländern an. Bei 40 Prozent der Betroffenen findet man keinen der typischen Risikofaktoren (erhöhter Blutdruck, Fettleibigkeit, Rauchen etc). Aus diesem Grund werden seit langem auch chronische Infektionen für die Entwicklung der Gefäßveränderungen verantwortlich gemacht. Studien zeigen, dass Parodontitis-Patienten ein zweifach erhöhtes Herzinfarkt-Risiko und ein vierfaches Schlaganfall-Risiko haben! Neueste Untersuchungen konnten auch zeigen, dass eine erfolgreiche parodontale Behandlung positiven Einfluss auf die Gefäße und systemischen Entzündungsfaktoren haben kann.

Diabetes mellitus

Diese in unserer Bevölkerung dramatisch zunehmende Stoffwechselerkrankung scheint mit Parodontitis in Wechselbeziehung zu stehen. Eine Parodontitis gilt heute bei Diabetikern als anerkannte Spätkomplikation. Umgekehrt scheint auch die Parodontitis einen negativen Einfluss auf den Diabetes durch Hemmung der Insulinwirkung zu haben. Studien zeigen eine Besserung der Langzeiteinstellung des Blutzuckerspiegels bei Diabetikern bei gleichzeitiger Sanierung einer Parodontitis.

Lungenerkrankungen

Auch chronisch verengende Atemwegserkrankungen können durch eine Parodontitis verstärkt werden. Zudem sind ältere oder pflegebedürftige Menschen und Intensivpatienten durch den Eintrag von Keimen auf den parodontalen Biofilmen ständig bedroht.

Untergewichtige Frühgeburten

Immer mehr Forschungsergebnisse zeigen, dass sich parodontale Erkrankungen, aber auch schlechte Mundhygiene während der Schwangerschaft ungünstig auf die Gesundheit von Neugeborenen auswirken können. Auch untergewichtige Frühgeburten können die Folge parodontaler Erkrankungen sein. Jede Schwangere sollte rechtzeitig untersucht und nach neuesten Studien bei Notwendigkeit auch unbedingt behandelt werden.

Resümee

Gesundes Zahnfleisch und Zähne sind nicht nur Ausdruck oralen Wohlbefindens, sondern für die Gesundheit unseres ganzen Körpers von Bedeutung. Das gesamte zahnärztliche Team ist hierbei gefordert, insbesondere die PASS, die durch Motivation zur persönlichen Eigenhygiene und durch professionelle Unterstützung der Patienten in beträchtlichem Ausmaß zur zahnmedizinischen und gesamtmedizinischen Vorsorge beitragen kann.

 

Autor:
Univ. Dozent Dr. Gernot Wimmer
Abteilung für Zahnersatzkunde
Universitätsklinik für Zahn-, Mund- und
Kieferheilkunde, Graz