Clean in between – Tipps und Tricks bei der interdentalen Reinigung
„Der Interdentalraum, unendliche Weiten. Wir schreiben das Jahr 2021…“
In Abwandlung des Intros der Kultserie „Raumschiff Enterprise“ sollen nachfolgende Zeilen die Prophylaxe-Teams in den Zahnarztpraxen mit Tipps und Tricks bei der Zahnzwischenraumreinigung unterstützen.
Ausgangslage
Die parodontale Infektion beginnt im Zahnzwischenraum und dies häufig unbemerkt vom Patienten, da die Infektion zunächst ohne Schmerzen verläuft. Für viele Patienten ist die Zahnzwischenraumpflege lästig und wird gerne vergessen. Viele meiner Patienten reinigen die Zahnflächen recht gut, teilweise mit elektrischen oder Schallzahnbürsten, die Zahnzwischenräume jedoch seltener – teilweise gar nicht.
Da wir um die Zusammenhänge zwischen oraler und Allgemeingesundheit wissen, hat die Interdentalraumreinigung einen großen Stellenwert für uns in der Prophylaxe- und UPT-Sitzung. Wir reinigen die Oberflächen der Zähne perfekt, das muss auch für den Zwischenraum gelten.
Wir nehmen uns dabei viel Zeit, um für den Patienten u.a. die richtigen Hilfsmittel auszuwählen und den richtigen Gebrauch von Zahnseide, Zahnzwischenraumbürstchen oder Softpicks einzuüben.
Das Problem
Zahnzwischenräume sind die besten Schlupfwinkel für Mikroorganismen. Wir erklären unseren Patienten immer, dass ein Zahn 5 Flächen hat, die gereinigt werden müssen – 3 Flächen, also buccal, lingual/palatinal und occlusal, reinigen wir mit der Zahnbürste – die interdentalen Flächen, mesial und distal, können nur mit speziellen Hilfsmitteln wie Zahnseide und Co. erreicht werden – das ist den Patienten häufig gar nicht klar. Wir zeigen den Patienten mit einer Intraoralkamera die betreffenden Stellen und auch die Lösung des Problems. Mit einem Spiegel in der Hand kann der Patient mitverfolgen, was an der betreffenden Stelle aus dem Zwischenraum heraus befördert wird – das rückt das Problem ins Bewusstsein. Jedoch sollten wir nicht anklagend oder negativ kommunizieren: denn dann hören viele Patienten nicht mehr zu. Sätze wie „Da ist die Zahnbürste nicht hingekommen“ oder „Diese Stelle hat Ihre Zahnbürste nicht erreicht“ helfen, an der Lösung zu arbeiten und den Patienten positiv auf das Mundhygienegespräch vorzubereiten. Die Lösung aufzeigen mit Sätzen wie „Das ist ein schwieriger Bereich, da zeige ich Ihnen gleich eine Spezialbürste“ oder „ Deshalb kommen Sie ja regelmäßig, das reinige ich gleich gründlich und zeige Ihnen eine spezielle Bürste, die Sie mit einer neuen Technik zu Hause gut anwenden können“ motivieren und fördern die Bereitschaft die häuslichen Gewohnheiten zu ändern. Auch Mundgeruch ist in diesem Zusammenhang ein Thema. Bei der Demonstration der Interdentalraumbürstchen riecht man manchmal schon etwas, dies unterstützt die Motivation der Patienten, die Interdentalpflege regelmäßig durchzuführen.
Motivation und Instruktion
Die meisten Patienten kennen Zahnseide, Bürstchen und Co., verwenden sie aber nicht oder nur unregelmäßig. Häufig klappt es mit dem Handling zu Hause nicht so gut – wenn man Zwischenraumreinigung nur selten macht, dauert es lange und teilweise können sich die Patienten auch verletzen. Rutscht man mit der Zahnseide ab, blutet die Gingiva schnell und die Patienten legen die Zahnseide zur Seite. Das sollte so nicht sein! Wir haben in der Praxis ein 4-teiliges Konzept zur Instruktion der Pflegeprodukte:
- Zuerst zeigen und erklären wir das Produkt am Modell,
- dann zeigen wir es im Patientenmund
- und abschließend übt der Patient selbst, natürlich mit unserer Unterstützung.
- Danach schicken wir Infos und Anleitungsvideos auf das Handy des Patienten in die ProphxlaxeApp
Nach dem Motto „tell, show, do, home leading“, also „sagen, zeigen, tun, Zuhause begleiten“ instruieren wir alle Hilfsmittel, denn, alles was man selbst macht und nachher Zuhause nochmal als Video anschauen kann, hat die Chance auf Etablierung in die häuslichen Gewohnheiten. Bei Patienten, die bisher noch gar keine Zwischenraumreinigung gemacht haben, empfehlen wir zunächst nur wenige Zahnzwischenräume zu reinigen, also zum Beispiel nur die UK Frontzähne, um dann, wenn sich mit der Zeit Übung einstellt, jeden Tag einige Zahnzwischenräume mehr dazu zu nehmen. Langsames Gewöhnen ist der Turbo für die Umstellung der Gewohnheiten!
Produkte und Techniken
Die Größe des Zahnzwischenraumes bestimmt das Hilfsmittel!
Zahnseide
Zahnseide ist besser als ihr Ruf, für enge Zahnzwischenräume unverzichtbar. Die Technik und Übungen mit dem Patient sind hier von entscheidender Bedeutung, denn Zahnseide scheint so einfach zu sein und ist doch so schwierig in der Anwendung …viele kriegen es letztlich mit dem Umwickeln der Finger nicht hin …. Wir empfehlen unseren Patienten die „Rosenkranzmethode“. Dabei wird eine kleine Schlaufe aus Zahnseide geknotet. Der Patient greift mit beiden Händen in die Schlaufe und führt die Zahnseide von Zahn zu Zahn weiter, wie bei einem Rosenkranz – ich gebe zu, den kennt man nur in den katholischen Gegenden …
Airfloss oder Munddusche
Bei großen Schwierigkeiten in der Anwendung empfehlen wir die Munddusche oder das AirFloss. Letzteres ist häufig die Alternative für die Bürstchen, denn manche Patienten bekommen eine gute Reinigung mit den Bürstchen motorisch einfach nicht hin.
Interdentalbürstchen
Für die Wahl des Interdentalbürstchen gilt: Die richtige Größe ist entscheidend für die Reinigungsleistung. Bei allen Anbietern für Zahnzwischenraumbürstchen gibt es die Produkte in unterschiedlichen Größen, Formen und Farben. Grundsätzlich sollten sie den Zahnzwischenraum ausfüllen, so werden gleichzeitig die konkaven Flächen und der Zahnfleischsaum bis unter den Kontaktpunkt gereinigt. Für eine gute und schonende Reinigung führt man das Bürstchen etwas schräg von unten für den Unterkiefer oder schräg von oben für den Oberkiefer. Dann richtet man es auf und schiebt es sanft durch den Zwischenraum, so können sich die Borsten wie ein Schirm auffächern und den gesamten Zwischenraum bis zum Kontaktpunkt reinigen. Natürlich sind Zahnzwischenräume unterschiedlich groß, manche haben eine intakte Papille, andere nicht – in der Regel sind unterschiedliche Größen notwendig. Allerdings hat dabei die Machbarkeit bzw. die Compliance des Patienten oberste Priorität! Deshalb empfehlen wir im ersten Schritt nur 2 Größen und zeigen dem Patienten eine spezielle Technik der Bürstchenanwendung, die es möglich macht, auch größere Zahnzwischenräume mit einem kleineren Exemplar gut zu reinigen. Es ist die X-Technik, bei der man bei einem größeren Zwischenraum das Bürstchen mehr nach distal anlegt und so bis zur oral-mesialen Fläche des Zahnes dahinter reinigt. Danach legt man es mesial am hinteren Zahn an und schiebt es durch bis zur disto-oralen Flache des vorderen Zahnes – so entsteht eine Bewegung in Form eines „X“. Auch für die Reinigung der hinteren Zwischenräume im Oberkiefer gibt es eine weitere Anwendungsoption: In den letzten beiden Zwischenräumen im Oberkiefer empfiehlt sich aus Platzgründen die Anwendung von oral – das ist häufig viel einfacher für die Patienten. Es kommt also mehr auf die Instruktion und Übung des Patienten an, hier müssen wir uns viel Zeit nehmen, das erhöht die Chance für die Anwendung.
Softpicks
Eine weitere Ergänzung der klassischen Zahnzwischenraumpflege sind die Soft Picks – die Interdentalpflege mit Kunststoffnoppen, ganz ohne Metall. Diese sind inzwischen auch in mehreren Größen und Formen erhältlich; in Sichelform zur Reinigung der Zwischenräume der Molaren. Diese Softpicks eignen sich hervorragend zur Reinigung von Implantaten und sind Einmalprodukte – prima auch für Unterwegs! Sie sind einfach in der Anwendung und bieten auch sehr gute Reinigungsergebnisse.
Patientenausdruck oder ProphylaxeApp
Wir wählen also die geeigneten Hilfsmittel aus, üben deren Anwendung mit dem Patienten und dann?
Wir kennen das alle – die Patienten verlassen gut beraten die Praxis und trotzdem scheint nur noch ein Bruchteil der Hinweise „Zuhause anzukommen“.
Dieser Problematik haben sich die Entwickler des Programms „ParoStatus.de“ (www.parostatus.de) angenommen und weitere praktische Lösungs- und Unterstützungsansätze implementiert. Der Focus liegt dabei auf der nachhaltigen Patientenmotivation und -Instruktion. Im Ergebnis wurde eine ProphylaxeApp entwickelt, die den Patienten dauerhaft auch zwischen den Recallterminen begleitet.
Sie enthält Videos zur Putztechnik sowie auch zur Interdentalreinigung mit Bürstchen oder Zahnseide. Es ist möglich einen begleitenden Text zur individuellen Putztechnik hinzuzufügen. Ebenso kann auch die Putzreihenfolge und Putzzeit für den Patient individuell in die App übertragen werden. Es kann sogar festgelegt werden, welche Routine morgens, Mittags und Abends wie lange durchgeführt werden sollte. Natürlich sind da auch die unterschiedlichen Techniken zur Anwendung der Interdentalraumbürstchen dabei – Parallel-, X- und Furkationstechnik – so kann nachhaltig durch die App instruiert werden und so dazu beitragen, dass sich die Mundgesundheit verbessert.
Auf diese Weise hat der Patient seine Prophylaxefachkraft quasi „in der Tasche und im heimischen Badezimmer“ – Patientenbindung und Motivation pur!
Bei Patienten, die kein Handy haben und so diese Möglichkeit nicht in Anspruch nehmen können, drucken wir einen „Mundhygieneplan“ aus dem ParoStatus Programm aus. Dort sind alle Empfehlungen übersichtlich dargestellt und auch die Bürstchen in den unterschiedlichen Farben im Zahnschema eingezeichnet. So oder so, es ist wichtig, dass die Patienten alles griffbereit und gut visualisiert mit nach Hause nehmen!
Fazit
Das Team der Enterprise stieß in seinem Forschungsdrang in fremde Galaxien vor, wir als Prophylaxe-Teams haben den Vorteil, das rund um die Zahnzwischenräume vieles schon bekannt und gut untersucht ist und in der täglichen Praxis umgesetzt wird. Hierbei helfen uns neben der digitalen Unterstützung gute Kommunikationstechniken, denn es gilt der Grundsatz: Die besten Hilfsmittel sind die, die der Patient regelmäßig verwendet – und der beste Patient ist der, der regelmäßig zu uns in die Praxis kommt!
Sylvia Fresmann
Deutsche Gesellschaft für Dentalhygieniker/Innen e.V.
Fasanenweg 14
48249 Dülmen
Fresmann@dgdh.de
www.dgdh.de
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