„Zwischen den Zähnen“
Fädeln, stochern, bürsten für saubere Interdentalräume.
Die Entfernung interdentaler Plaque ist nicht nur aus Kariesprophylaktischer Sicht von Bedeutung, sondern auch für den Schutz vor parodontalen Erkrankungen.
Die Folgen der interdentalen Plaqueansammlung sind bekannt: Bakterielle Säuren demineralsieren Zahnschmelz und Dentin, toxische Stoffwechselprodukte reizen das Zahnfleisch und führen zu Entzündungen. Interdentalräume zählen damit zu den so genannten Prädilektionsstellen, also jenen Orten, an denen bevorzugt Infektionen – hier Karies – entstehen. Einige Zahlen sollen die Situation und das potenzielle Risiko verdeutlichen: Das menschliche Gebiss weist bei voller Bezahnung (inklusive der Weisheitszähne) 30 Interdentalräume auf. Immerhin 40 Prozent aller Zahnoberflächen liegen somit an schwer zu erreichenden Stellen. Anders ausgedrückt: Nur zirka 60 Prozent der Zahnoberflächen lassen sich mit einer Zahnbürste erreichen. Unabhängig von der Art der Zahnbürste und der Putztechnik! Wer auf Interdentalprodukte verzichtet, verzichtet also ganz bewusst darauf, 40 Prozent der kariesanfälligsten Bereiche des Gebisses von Plaque und Speiseresten zu befreien.
Realität der Zahlenspiele
Solche Zahlenspiele mögen vereinzelt Patienten überzeugen, die Realität sieht leider anders aus: Rund 180 Meter Zahnseide wären pro Jahr und Benutzer notwendig, um der zahnärztlichen Empfehlung von 50 Zentimeter Zahnseide pro Anwendung gerecht zu werden. Gerade einmal vier Meter (umgerechnet 0,08 Packungen pro Kopf und Jahr) werden in Deutschland verbraucht. Die Folge: 45 Prozent aller gefüllten Oberflächen in der Altersgruppe zwischen 35 und 44 Jahren liegen im Interdentalraum.
Der gute Wille reicht nicht aus
Was ist die Ursache dieser Diskrepanz zwischen dem scheinbaren Willen zur Verhaltensänderung („ich werde heute abend flossen“) und dem überaus niedrigen Pro-Kopf-Verbrauch? Die Reinigung des Approximalraumes gestaltet sich umbequem, schwierig, zeitaufwändig und hat bis dato bei den meisten Patienten noch keinen Eingang in die tägliche Routine gefunden. Der Vorsatz alleine ist nicht genug – es fehlt an Motivation. Es reicht nicht aus, den Patienten mit einer Rolle Zahnseide, der Aufforderung zum täglichen „Flossen“ und der Hoffnung auf zukünftig saubere Approximalräume aus der Ordination zu entlassen. Einmal mehr steht die Auseinandersetzung mit dem Patienten, die Analyse der individuellen Gebisssituation (z.B. Lückenbildungen, Füllungen, Zahnfehlstellungen, prothetische Versorgungen, kieferorthopädische Apparaturen etc.) im Vordergrund. Der Umfang der präventiven Unterweisungen und Hilfsmittel bemisst sich schließlich an den klinischen Befunden. Erschwerend kommt hinzu, dass einfaches Erklären von Prophylaxemaßnahmen nur in den seltensten Fällen zum Erfolg führen wird. Es ist somit absolut unerlässlich, dem Patienten die korrekte Anwendung nicht nur zu zeigen, sondern mit ihm zu üben, bis die Technik wirklich „sitzt“.
Flossen, aber richtig!
In besonderem Masse trifft dies für Zahnseide zu. Richtiges „Fädeln“ ist schwierig und bedarf einer gründlichen Unterweisung und der Übung durch den Patienten. Nur so lassen sich Verletzungen des Zahnfleisches vermeiden und die Motivation erhalten – wer flosst schon gerne auf Basis einer schmerzhafen, blutigen Erfahrung? Welche Zahnseide für den jeweiligen Patienten die geeignete ist, liegt im Ermessen der Prophylaxeassistentin. Ob gewachst oder ungewachst, in Form eines „Tapes“ oder als Superfloss-Modifikation für Träger festsitzender Spangen – nur fluoridiert sollte sie sein. Studien belegen, dass die Fluoridfreisetzung aus Zahnseide und Zahnhölzern im Interdentalraum zu einer signifikanten Reduktion sowohl des Mineralverlustes als auch von Mutans-Streptokokken führen. Dass die Anwendung von Zahnseide ganz wesentlich am Kariesrückgang in approximalen Bereichen beteiligt ist, sollte nicht über einen Nachteil hinwegtäuschen: Zahnseide kann sich nicht an die Zahnform anpassen und spannt sich geradlinig über konkave Wurzeleinziehungen. Die wie in einem Kanal geschützt liegende Plaque wird damit nicht erreicht. Approximale Wurzeleinziehungen und -teilungsstellen lassen sich mit (dreikantigen) Zahnhölzern oder besser mit Interdentalbürsten erfassen.
Bürsten für die Zwischenräume
Als besonders effektiv gelten Interdentalbürsten, deren Borsten unabhängig von der Zahnform „arbeiten“. Selbst subgingivale Plaque kann in Abhängigkeit vom Bürstentyp und den Filamenten im Bereich der obersten 1–2 mm erreicht werden. Üblicherweise werden Interdentalbürsten in verschiedenen Größen und verschiedenen Schnitten angeboten, so dass für jeden Patienten die passende Größe bestimmt werden muss. Innovativ sind Bürsten mit Dreiecksschnitt, die der Form des Interdentalraumes nachempfunden sind. Ideale Reinigungsergebnisse lassen sich mitunter aber erst dann erzielen, wenn mit zwei unterschiedlichen Größen gearbeitet wird. Besonders praktisch sind Interdentalbürsten auch für Träger festsitzender kieferorthopädischer Apparaturen und von Implantaten. Der geringe Pro-Kopf-Verbrauch von nur 0,04 Packungen im Jahr zeigt allerdings deutlich, dass seitens des Zahnarztes bzw. der Prophylaxeassistentin Aufklärungsbedarf besteht, welche Bedeutung der Interdentalreinigung zukommt.
Zahnhölzer und Mundduschen
Während Zahnstocher vor allem dazu dienen, störende Speisereste mehr oder weniger sanft aus den Approximalräumen hervorzuholen, haben (fluoridierte) Zahnhölzer medizinische Funktion. Sie lassen sich einfacher anwenden als Zahnseide und reinigen aufgrund ihrer größeren Oberfläche auch ein größeres Areal auf dem Zahn. Ihre Reinigungsleistung ist aber nicht so gut wie die der bereits vorgestellten Produkte. Dennoch bieten sie eine sinnvolle Ergänzung zur Zahnpflege, beispielsweise auf Reisen. Mundduschen eignen sich übrigens nicht für die Plaqueentfernung im Interdentalraum. Da es sich bei Plaque um einen zähen, fest anhaftenden Biofilm handelt, ist die mechanische Reinigung unerlässlich. Ihr Nutzen liegt vielmehr im Herausspülen von Speiseresten, dem Ausschwemmen bakterieller Stoffwechselprodukte aus der Plaque sowie der Massage des Zahnfleisches. Nicht vergessen sollte man, dass bei unsachgemäßem Gebrauch auch Keime in die Zahnfleischtaschen gespült werden können oder sich innerhalb des Schlauchsystems gefährliche Keime (z.B. Pseudomonaden) anreichern können.
Fazit
- Die Interdentalreinigung gehört in ein dentalhygienisches Gesamtkonzept, das individuell auf den Patienten abzustimmen ist.
- „Brushing and flossing“, also „Bürsten und Fädeln“, sollte zur täglichen Routine werden. Nur wenn die Interdentalreinigung vor dem Zähneputzen erfolgt, werden die gelockerten Beläge auch wirklich richtig entfernt.
- Aus Motivationsgründen sollte der Ablauf dieser Routine so einfach wie möglich gehalten werden.
- Aus zahnmedizinischer Sicht kann die kombinierte Anwendung von Zahnseide und Interdentalbürsten sinnvoll sein, da hierbei sowohl Berührungspunkte als auch Approximalräume optimal gereinigt werden.
Autor:
Dr. Daniel Bachteler
MedWiss GABA International
Schweiz
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