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Zusammenhänge zwischen Zahnfleischerkrankungen und Diabetes

By: | Tags: , , | Comments: 0 | Juni 19th, 2024

10% der Österreicher*innen, das entspricht etwa 800‘000 Menschen, haben Diabetes. (https://diabeteswelt.org/diabetes-allgemein/wieviele-menschen-leiden-an-diabetes-in-oesterreich/, 9.9.2023). Etwa 90% der Erkrankten sind vom Typ II (im Volksmund „Altersdiabetes“), und ca. 10% vom Typ I (Autoimmunerkrankung) betroffen. Ein Spezialfall stellt die Gestationsdiabetes dar: diese Form manifestiert sich erstmals um die 20. Schwangerschaftswoche (Markus Tröltzsch, ‎Philipp Kauffmann, ‎Matthias Tröltzsch, 9.12.2020). Da in der Schwangerschaft, die parodontale Entzündlichkeit durch die veränderte Hormonsituation erhöht sein kann, stellt eine schlecht eingestellte Gestationsdiabetes nicht nur für die Betroffene und ihr Baby, sondern auch für das Parodont ein zusätzlicher Risikofaktor dar.

Diabetiker*innen haben zu wenig Insulin (oder auch eine Insulinresistenz) oder produzieren gar kein Insulin mehr. Die Therapieformen reichen von Lifestyle-Optimierung, oralen Antidiabetika bis hin zu Insulinsubstitution mittels Injektionen. Das Peptidhormon Insulin sorgt dafür, dass der Zucker zur Energiegewinnung im Blut weiter in die Zellen transportiert werden kann. (Markus Tröltzsch, ‎Philipp Kauffmann, ‎Matthias Tröltzsch, 9.12.2020) (Prophy Swiss GmbH – Fabienne Käser). Bei schlecht eingestellten Blutzuckerwerten entsteht im Blut eine sogenannte Hyperglykämie. Die Folgen einer Hyperglykämie sind: Die Produktion von AGEs (Advanced Glycation End Products) und eine eingeschränkte Phagozytosefähigkeit der Markophagen: beides fördert Entzündungsprozesse im Parodont. Zusätzlich werden Blutgefässe und das Endothel geschädigt, welches zu Entzündungen führen kann. (Dr. J. Wölber, Dr. C. Tennert, 2021). Schlecht eingestellt, kann ein Diabetes also die parodontale Gesundheit negativ beeinflussen. Zudem erhöht sich dadurch das Risiko für: Gingivitis, Parodontitis, (inkl. Candidiasis, Lichen Planus sowie Leukoplakien). Klinisch weisen schlecht eingestellte Diabetiker*innen vermehrt erhöhte Sondierungstiefen, mehr Attachment- und Zahnverlust sowie Periimplantitis und um ein 2,75x höheres Implantatverlustrisiko auf. Bei gut eingestelltem Diabetes sind jedoch Risiko sowie Therapieerfolge nicht negativ beeinflusst. (Markus Tröltzsch, ‎Philipp Kauffmann, ‎Matthias Tröltzsch, 9.12.2020)

Abbildung: 50-jähriger Patient, Diabetes Typ II über viele Jahre schlecht eingestellt, Nichtraucher, vorbestehende Parodontitis. © Prophy Swiss GmbH

In Anbetracht der großen Anzahl erkrankter Personen in Österreich ist es deshalb enorm wichtig, als zahnmedizinisches Fachperson über die parodontalen Folgen eines schlecht eingestellten Diabetes Bescheid zu wissen. (Markus Tröltzsch, ‎Philipp Kauffmann, ‎Matthias Tröltzsch, 9.12.2020)

Diabetes und Parodontitis stehen in bidirektionalem Zusammenhang. Ein schlecht eingestellter Diabetes fördert die Parodontitis, eine therapierte Parodontitis wirkt sich wiederum positiv auf die Blutzuckerwerte aus. Des Weiteren wurde ein erhöhtes Diabetesrisiko bei Individuen beobachtet, welche im Kindesalter vermehrt Gingivitiden und Attachmentverlust aufwiesen. (Markus Tröltzsch, ‎Philipp Kauffmann, ‎Matthias Tröltzsch, 9.12.2020).

Folgende Empfehlungen gelten für das zahnmedizinische Fachpersonal:

  • Jeden Recall den HbA1c Wert erfragen (inkl festhalten). Ab einem Wert von 7.5% Rücksprache (Internist*in), ob eine antibiotische Abschirmung nötig ist vor einer Prophylaxesitzung oder zahnärztlichen Behandlung.
  • Vor Behandlungsbeginn nachfragen, ob vorher bereits etwas gegessen wurde (vorallem am Morgen wegen der Gefahr einer Hypoglykämie).
  • Erkrankte müssen genau über den Einfluss eines schlecht eingestellten Diabetes auf die Mundgesundheit informiert werden.
  • Jüngere Patientengruppen mit vorbestehenden Gingivitiden oder Attachmentverlust informieren, dass das Diabetesrisiko erhöht ist. Das Bewusstsein darüber kann die Mundhygienemotivation zusätzlich positiv beeinflussen.
  • 2/Jahr zahnärztliche Kontrollen werden empfohlen
  • Eine engmaschige Recall Betreuung durch die PAss ist zwingend nötig. Diese sollte risikoorientiert stattfinden und Optimierung und Aufrechterhaltung einer guten häuslichen Mundpflege unterstützen.
  • Bei einer bestehenden Parodontitis: Strikte Durchführung der Parodontitistherapie.

 

Bei einer Prophylaxesitzung selbst, sollte in jedem Recall auch die parodontalen Befunde erhoben und interpretiert werden. Erhöhte Sondierungstiefen/ein Parodontitisverdacht muss dringend weitergeleitet werden (Zahnarzt/Zahnärztin). Sondierungstiefen werden in jedem Recall erhoben inklusive die Blutung auf Sondierung (BOP). Bei der Interpretation der Befunde sind nicht nur die Kenntnisnahme der tiefen Taschen wichtig, sondern auch ihre Aktivität (BOP inkl. der Verlauf) sowie die allgemeinte Entzündlichkeit des Parodontes (viele BOP positive Stellen, auch wenn die Taschentiefe nicht sehr auffällig ist) zu berücksichtigen. Der Übergang von einer Gingivitis zu einer Parodontitis darf nicht verpasst werden, und sollte regelmäßig durch Zahnarzt/Zahnärztin kontrolliert werden. (Prophy Swiss GmbH – Fabienne Käser)

 

Bei suboptimalen oder optimierbaren parodontalen sowie hygienischen Verhältnissen sollten bei der Mundhygieneinstruktion Folgendes empfohlen werden:

  • Patientenspezifisch ausgewählte elektrische Zahnbürste mit weichen Borsten
  • Zu der Zahnbürste passende, schonende Zahnputzmethode, mind. 2/Tag
  • Interdentalraumhilfsmittel: wenn möglich Interdentalraumbürsten bevorzugen wegen der gingivalen Massagewirkung. In jedem Recall müssen die Grössen überprüft und ggf. angepasst werden. In der Regel sind ein bis zwei verschiedene Grössen notwendig.
  • Fluoridhaltige Zahnpasten und Mundspülungen mit softchemopräventiven Zusätzen sollten zur parodontalen Unterstützung gewählt werden (alkoholfrei). Geeignete Zusätze sind beispielsweise die Kombination von Amin- und Zinnfluorid, Zink-Zusätze, ätherische Öle, CPC (Cetyl-Pyridium-Chlorid) usw.
  • Nicht vergessen: Glossalhygiene!
  • Spezielles, je nach Situation: Chlorhexidin-Gel für die Interdentalraumbürsten, softchemopräventive Kaugummis für zwischendurch (z.B. mit Xylit), Ölziehen oder Q-10 Mundsprays können die ganze Mundschleimhaut positiv unterstützen.
  • Um in kurzer Zeit aus einer akuten Entzündungsphase auszubrechen, können begleitend direkt nach der Prophylaxesitzung auch hochkonzentrierte (ab 0.1%) Chlorhexidinmundspülungen (für maximal 2 Wochen) abgegeben werden. Danach empfiehlt sich, begleitend auf softchemopräventive Zusätze in Zahnpasten, Spülungen usw. zu wechseln.
  • Fluorid- oder Chlorhexidinlacke können während der Prophylaxesitzung zur lokalen dentalen Unterstützung appliziert werden (z.B. bei freiliegenden Zahnhälsen).
    (Prophy Swiss GmbH – Fabienne Käser)
    Trotz guter Präventions- und Therapiemöglichkeiten ist die Erkrankung Diabetes immer noch ein großes, wichtiges und präsentes Thema, auch für das zahnmedizinische Personal. Und fordert, schlecht eingestellt, ein großes Repertoire an Fachwissen, um den parodontalen Nebenwirkungen Stand zu halten. Darum spielt die gegenseitige Unterstützung und Zusammenarbeit aller zahnmedizinischer Behandler*innen eine große Rolle: zur Therapieunterstützung, für das Risikomanagement sowie für die dentale und parodontale Prognose. (Prophy Swiss GmbH – Fabienne Käser)
    Merke: „Diabetes, als Volkskrankheit; ist und bleibt schlecht eingestellt ein Risiko für die parodontale Gesundheit.„ (Prophy Swiss GmbH – Fabienne Käser)
Literaturverzeichnis
Dr. J. Wölber, Dr. C. Tennert. (2021). Buch Die Ernährungszahnbürste. (U. i. GmbH, Hrsg.) Unimedica.
https://diabeteswelt.org/diabetes-allgemein/wieviele-menschen-leiden-an-diabetes-in-oesterreich/. (9.9.2023).
Markus Tröltzsch, ‎Philipp Kauffmann, ‎Matthias Tröltzsch. (9.12.2020). In Medizin in der täglichen zahnärztlichen Praxis. E-Book: Quintessenz-Verlag.
Prophy Swiss GmbH, Fabienne Käser