Zähneknirschen
Die Sprache der Seele.
Bruxismus oder das unbewusste, meist nächtliche Knirschen mit den Zähnen ist ein weit verbreitetes Problem, das nicht nur Partnerschaften belasten kann, sondern vor allem unserem Kiefer zusetzt und die Zahnhartsubstanz schädigt.
Wenn der Winter mit Eiseskälte ins Land zieht und Frau Holle Stadt und Land in eine weiche, weiße Decke hüllt, hören wir bei jedem Schritt wie der Schnee unter unseren schweren Winterschuhen knirscht. Ein Geräusch, das in uns allen positive Kindheitserinnerungen wachruft. Doch wenn sich das Knirschen in der Nacht von den Füßen in die Mundhöhle verlagert, dann hat sich der Bruxismus, so der Fachbegriff für Zähneknirschen, ein Plätzchen im Schlafzimmer reserviert. Denn nachts im Schlaf wandern die Sorgen vom Kopf in den Kiefer. Die Gründe für übermäßiges Knirschen und Zähnepressen ist in vielen Fällen hohe Anspannung und Konzentration oder psychischer Stress und unbewusste Aggression. Das Pressen mit den Zähnen kann aber auch eine mechanische Ursache durch schlecht sitzende technische Versorgungen oder Füllungen haben. Unbewusste Bewegungsabläufe wie auch lang andauernde Verspannungen bestimmter Muskelgruppen sind die Ursache für akute bis hin zu chronischen Schmerzen unseres Bewegungsapparates. Dauerspannung der Gesichtsmuskulatur und der Kaumuskulatur stehen oft mit intensivem Zahnkontakt wie dem Zusammenpressen von Ober- und Unterkiefer und dem daraus folgenden Knirschen in engem Zusammenhang. Das hat wiederum zur Folge, dass Patienten über Gesichts-, Kopfschmerzen wie auch häufig über ein Taubheits- und Schwellungsgefühl im Bereich der Kaumuskulatur klagen. Bei der Inspektion der Mundhöhle wird erst das Ausmaß des nächtlichen Knirschens bzw. Pressens sichtbar. Durch die permanente Belastung werden die Zähne abgeschliffen und können ausbrechen. Der einseitige Druck kann Zähne zum „Wandern“ veranlassen, wodurch sich die Okkulision verändert. Der Kaudruck kann in „hightimephasen“ vom Normalwert 0,4-0,45 um den 10-fachen Wert ansteigen.
Teamarbeit zählt
Um den Patienten aus dieser Lage zu befreien, ist das gesamte Team gefragt. Es gilt herauszufinden, ob es sich um einen zentrischen (Zähne aufeinander pressen) oder einen exzentrischen (Zähnen aneinander reiben) Fall handelt. Auch die Erstellung einer ganzheitlichen Anamnese und eines persönlichen Verhaltensprofils ist zu empfehlen. Diese Erkenntnisse ermöglichen dann eine optimale Maßnahmenplanung, die aus folgenden Optionen individuell zusammengestellt werden kann.
Entspannungsübungen helfen
Gezielte Kieferentspannungsübungen und Massage können die Kiefermuskulatur so verändern, dass das Zähneknirschen reduziert wird. Das „geistige Abschalten“ vor dem Zubettgehen mittels Meditation ist empfehlenswert. Dadurch wird es dem Patienten ermöglicht, entspannter zu schlafen.
Aufbissschienen schützen
Die klassische Behandlung durch den Einsatz einer maßgefertigten Aufbissschiene wirkt den schädlichen Auswirkungen zwar entgegen, ist jedoch nur eine reine Schadensbegrenzung. Der Druck auf das Kiefergelenk ist meist nicht viel niedriger. Aufbissschienen werden aus hartem Kunststoff hergestellt und müssen regelmäßig vom Arzt kontrolliert bzw. neu „eingeschliffen“ werden.
Zahnärzte wie auch Kieferorthopäden raten jedoch als langfristige Maßnahme zusätzlich zu gezielten Entspannungsübungen.
Relaxierungsschienen entlasten
Zweck dieser Schiene ist die natürliche Abstandhaltung von Oberkiefer- und Unterkieferzähnen. So wird eine sogenannte Ruheschwebe hergestellt, die vorhanden sein muss, um die Kiefergelenke zu entlasten und die Muskulatur
zu entspannen. Diese Schiene wird im Gegensatz zur Aufbissschiene aus weichem Kunststoff angefertigt. In der Nacht getragen, stellt sie eine sogenannte Gummizelle für die Zähne dar, die der Seele die Möglichkeit nimmt, sich an den Zähnen zu reiben.
Psychische Faktoren beachten
Ist der Bruxismus etwa zeitgleich oder ein wenig versetzt mit größerem emotionalen Stress entstanden (wie z.B. Arbeitssituation, Beziehungen, Krankheit etc.) kann dies einen direkten Zusammenhang mit dem Zähneknirschen haben. Das Ausschalten der Stressfaktoren kann hier helfen. Hypnose und Hypnosetherapie sind ebenfalls eine Möglichkeit psychisch bedingten Bruxismus anzugehen. Wenn das Zähneknirschen und Zähnepressen vorwiegend psychogener Art ist, können sie helfen, Stress oder Ängste abzubauen und aufwühlende Emotionen besser zu verarbeiten. Mittels Hypnoanalyse kann auch der Grund für dieses Verhalten bestimmt werden. Symptome des Bruxismus können so reduziert oder sogar zum Verschwinden gebracht werden.
Vitamine zuführen
Zähneknirschen könnte auch von einem Vitaminmangel herrühren. Vitaminpräparate können daher bei einigen Menschen helfen die Bruxismussymptome zu lindern.
Genussmittel vermeiden
Das Absetzen von Genussmitteln (wie Alkohol und Tabak) können Hilfe bringen, denn auch diese können das Zähneknirschen und Zähnepressen verstärken.
Medikamente checken
Weiter ist abzuklären, ob die Symptome im Zusammenhang mit bestimmten Medikamenten stehen. Es ist bekannt, dass Medikamente wie einzelne Antidepressiva Bruxismus auslösen können.
Ursächliche Behandlung kaum möglich
Eine ursächliche Behandlung ist nur dann möglich, wenn die auslösenden Faktoren für das Knirschen (wie z.B. psychische Überbelastung im Berufs- oder Privatleben) beseitigt werden können; was in der Realität aber meist nur selten möglich ist. Eine psychologische Betreuung des Zahnpatienten erscheint daher sinnvoll. „Knirscher“ müssen lernen, den Alltagsstress bereits vor dem Schlafengehen (z.B. durch Meditation) zu verarbeiten und abzubauen. Grundsätzlich sollte sich der Bruxist mit entspannenden Farben und ebensolcher Musik umgeben. Die Behandlung kann homöopathisch mit der Einnahme von Zinkummetallikum unterstützt werden. Da der „Bruxist“ eine immer häufiger auftretende Spezies wird; ja zwei von drei Menschen in Österreich knirschen und pressen sich des nächtens die Seele aus dem Leib, wird das Team heutzutage immer öfter mit diesem Thema konfrontiert. Der Therapiebereich umfasst nicht nur das Betätigungsfeld der zahnärztlichen Praxis. Deshalb ist es wichtig, Maßnahmen ganzheitlich anzudenken und auch das Umfeld der Patienten mit einzubinden. Dann wird in Österreichs Schlafzimmern weniger geknirscht und wieder mehr gekuschelt.
Autorin:
Barbara Bergmann
Prophylaxe-Assistentin in Wien
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