Trockener Mund – was tun?
Wir setzen in dieser prophy-Ausgabe unsere Serie über Speichelfluss und Mundtrockenheit fort. Während im ersten Teil der Schwerpunkt auf den Ursachen lag und wer davon betroffen ist, geht es jetzt darum, wie Patient*innen unterstützt werden können. Außerdem erklärt die Expertin PD Dr. Dr. Greta Barbe von der Poliklinik für Zahnerhaltung und Parodontologie aus Köln, welchen Beitrag das zahnärztliche Team in der Beratung von Betroffenen leisten kann.
Fragt man Patient*innen, was sie zu Hause am ehesten gegen Mundtrockenheit unternehmen, kommt häufig die Antwort, sie würden zu Bonbons mit Zitronengeschmack oder sauren Drops greifen, oder etwa Ananas essen. Aus zahnmedizinischer Sicht mögen solche „akuten Haus- und Hilfsmittel“ kritisch hinterfragt werden. Therapeutische Strategien sehen freilich anders aus. Um zu erklären, wie ein Ungleichgewicht und ein trockener Mund zustande kommen kann, zieht Dr. Barbe als Vergleich eine Balkenwaage heran: „Stellen Sie sich vor, gewisse Risikofaktoren der Mundtrockenheit setzen sich vermehrt auf eine Seite. Erst ab einem gewissen Beugungsgrad der Waage gerät diese aus dem Gleichgewicht. Anders ausgedrückt: häufen sich Risikofaktoren, so kann der/die Patient*in eine Xerostomie, also das Gefühl von Mundtrockenheit, entwickeln.“
Ursachen nur bedingt beeinflussbar
Klar ist, dass Zahnmediziner*innen nur bedingt Einfluss nehmen können auf so manche Ursachen wie zum Beispiel benötigte Medikamente, die eventuell Mundtrockenheit verursachen oder (ihre Entwicklung?) beschleunigen. Auch wenn die Rücksprache mit dem Hausarzt in so einem Fall durchaus in Betracht gezogen werden sollte, ob etwa Alternativen denkbar sind.
Genauso liegt es außerhalb des Wirkungskreises von Zahnmedizinern, wenn Menschen vermehrt Medikamente einnehmen müssen, oder eine Autoimmunkrankheit den Speichel betreffend vorliegt. Was kann nun getan werden, damit sich die unangenehme Situation für die Betroffenen trotzdem ändert? Viele kleine Bausteine können dazu beitragen, die individuelle Ausgangssituation in Bezug auf die Mundtrockenheit zu verbessern.
Therapeutische Basisstrategien
Eine davon ist das Thema Trinken: ausreichend Flüssigkeit zu sich zu nehmen, ist nicht für jeden selbstverständlich, gerade bei älteren Menschen ist das oft der Fall. Der Flüssigkeitshaushalt ist essentiell für eine Speichelproduktion. Auch überheizte Zimmer und trockene Luft sind ungünstige Faktoren, die zu einem trockenen Mund beitragen können. Ebenso sollten stark saure Mundhygieneartikel vermieden werden. Die Produktion von Speichel kann zum Beispiel auch durch einen zuckerfreien Kaugummi stimuliert werden. Und so manche Gewohnheit wie Rauchen sollte kritisch hinterfragt werden.
Dawes und McPherson (1992) entdeckten:
– Bei Stimulation durch Kaugummi mit Geschmack erhöht sich die Fließrate des Speichels um den Faktor 10.
– Bei Kaugummi ohne Geschmack – Erhöhung der Speichelfließrate x 5
– Nach zwanzig Minuten kauen – Erhöhung der Speichelfließrate x 2,7
Dr. Barbe dazu: „Trinken, zuckerfreie Kaugummi kauen oder ernährungsbezogene Tipps für kauaktive Nahrungsmittel sind für Menschen mit Mundtrockenheit recht praktische Empfehlungen. Häufig hilft auch Ölziehen. Dann gilt es in einer Art Bausteinprinzip gebündelte und auf die Person individuell abgestimmte Maßnahmen zu empfehlen“.
Ernährungsberatung
Das tägliche Essen für Menschen im Altersheim oder für die Pflegebedürftige zu Hause ist häufig breiig zubereitet, wodurch die so wichtige Kaufunktion reduziert wird. Zudem potenzieren klebrig auf den Zähnen haftende Essenreste das Kariesrisiko. Alkohol, Kaffee und zuckerhaltiges Essen tragen ihr Übriges zur Mundtrockenheit bei.
Was kann in der Zahnarztpraxis getan werden
Frau Dr. Barbe rät dazu, verstärkt zur optimalen Mundhygiene zu motivieren und ggf. ein Merkblatt anzubieten. Die Intervalle der Professionellen Zahnreinigung sind eventuell zu verkürzen. Präparate, die antibakteriell und plaque-reduzierend wirken, sollten verwendet werden. Läsionen gehören frühzeitig versorgt, etwaige imperfekte Restaurationen ersetzt. Ggf. können neutrale Natriumfluoridgele auf einer individuell angefertigten Schiene täglich angewendet werden.
Bei den zahlreichen Fluoridpräparten, Speichelersatzmittel und Stimulanzen bedarf es einer konkreten Beratung, denn als Anwender kann es aufgrund der Vielzahl der Produkte leicht zu einer Überforderung kommen. Wichtig ist auch, dass sich die pH-Werte der regelmäßig angewendeten Produkte nicht im stark sauren Bereich befinden. An der Universität Köln wurde die Wirkung von Wasser und verschiedenen Mundgelen untersucht, hinsichtlich Geschmack, Verträglichkeit und mundbefeuchtendem Gefühl. Das Ergebnis: Bei Wasser gibt es einen ganz kurzfristigen Effekt, der auch rasch aufhört. Die Effekte dauern beim Gel länger, allerdings meist auch nicht stundenlang. So sollten die Erwartungen hierbei relativiert werden um keine frustranen Erfahrungen bei den Patienten hervorzurufen.
Alternative „Ölziehen“?
Immer mehr Patienten fragen auch nach alternativen Methoden wie etwa dem Ölziehen nach. Auch hierzu gibt es Untersuchungen an der Universität in Köln. Die Effekte sind ähnlich wie jene oben erwähnten mit Gelen. Übrigens: Wer sich dazu erkundigen möchte, dem sei die junge Chemikerin Mai Thi Nguyen-Kimans ans Herz gelegt. Unter „mailab“ folgen ihr 1,45 Millionen Menschen auf Youtube. Sie erklärt wie immer auf leicht verständliche und unterhaltsame Weise in einem ihrer Videos zu welchem Schluss sie hinsichtlich Ölziehen gekommen ist. Dabei durchforstet sie die wenigen wissenschaftlichen Studien, die sie bei ihrer Recherche zu diesem Thema gefunden hat. https://www.youtube.com/watch?v=zBJP1v24Llk
Gemeinsam Mundtrockenheit lindern
Dr. Barbe empfiehlt abschließend: „Definieren Sie gemeinsam mit dem Patienten die Ziele wie Symptomlinderung, zahnmedizinische Therapie oder Folgenbekämpfung. Und vor allem, kommunizieren Sie alle Schritte gut. Es ist essentiell, eine langfristige Betreuung anzustreben. Nur so wird sich letztlich eine Symptomlinderung oder zumindest eine stabile Mundgesundheitssituation einstellen.“
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