Parodontitis behandeln – Herz-Kreislauferkrankungen vorbeugen
Herz-Kreislauferkrankungen sind die mit Abstand häufigste Todesursache im höheren Erwachsenenalter[i]. Auch die Prävalenz der Parodontitis steigt mit zunehmendem Alter. Zusammenhänge zwischen den beiden Erkrankungen liegen nahe – dies sollte als Argument für eine adäquate Behandlung stärker in den Fokus der Prophylaxe-Sitzung rücken.
„Der Verdacht, dass beide Erkrankungen nicht nur nebeneinander koexistieren sondern sich auch wechselseitig beeinflussen erhärtet sich mit zunehmendem Verständnis der Äthiopathogenese“, informiert PD Dr. Gernot Wimmer, Facharzt für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde mit Spezialisierung auf Parodontologie. Das bindende Glied zwischen der Parodontitis und Herzkreislauferkrankungen sind Entzündungen. Allerdings könne man nicht von einem einfachen, konsequenten Zusammenhang zwischen der Entzündung des Parodonts und des Vorhandenseins vaskulärer Veränderungen ausgehen, sondern die Vorgänge seien komplex, so Wimmer.[ii]
Die primäre Ursache für Herzinfarkt, Schlaganfall und periphere vaskuläre Erkrankungen sind atherosklerotische Veränderungen. Dafür verantwortlich sind Cholesterin-Ablagerungen und andere Plaques, die durch entzündliche Prozesse begünstigt werden.
Parodontitis-Leitkeime wurden mehrfach in in Ablagerungen an den Gefäßwänden nachgewiesen. Doch wie kommen die Keime in die Gefäßinnenband? „Die parodontale Tasche bereitet vor allem anaeroben Keimen einen Ort, wo sie sich geschützt vor körpereigenen Abwehrmechanismen und mechanischen bzw. antibakteriellen Reizen vermehren können. Durch mechanische Irritationen wie zum Beispiel Zähneputzen und andere Mundhygiene-Maßnahmen, aber auch einfach durch das Kauen, können parodontale Keime in den Körper gelangen“, erklärt Wimmer. Diskutiert würde auch ein möglicher Übertragungsmechanismus über die Lymphbahnen.
Parodontitis-Therapie: Positiver Effekt auf Gefäße
Die American Heart Association (AHA) hält in einem Statement[iii] fest, dass anhand der Studien der vergangenen 30 Jahre bis heute kein kausaler Zusammenhang zwischen Parodontitis und Herz-Kreislauf Erkrankungen beweisbar ist. Der Verdacht, dass entzündliche Prozesse bei der Entstehung von Atherosklerose eine Schlüsselrolle spielen, erhärtet sich jedoch immer mehr. „Die AHA kritisiert nicht den Effekt der Parodontal-Therapie auf die Gefäß-Erkrankungen; sie fordert vielmehr neue, gut durchgeführte und geplante Studien, die den Einfluss der Parodontaltherapie auf die Erkrankungen des Herz-Kreislaufsystems besser verständlich machen“, betont Wimmer und weist darauf hin, dass bereits lange bekannt ist, dass die Parodontal-Behandlung erkrankter Patienten einen positiven Einfluss auf die Gefäßfunktion und eine signifikante Abnahme von C-reaktiven Protein Konzentrationen im Blutserum hat und somit einen Rückgang von Entzündungsreaktionen anzeigt [iv]. Wimmer: „Interessant ist die Tatsache, dass unmittelbar nach der Parodontal-Therapie eine akute, kurz-andauernde entzündliche Reaktion im Körper ausgelöst wird, die verringerte entzündliche Belastung im Mund bringt jedoch mittelfristig eine Verbesserung der endothelialen Funktion.“
Gemeinsam mit der Klinischen Abteilung für Angiologie und Mitwirkung der klinischen Abteilungen für Zahnersatzkunde, Nuklearmedizin und medizinisch-chemische Labordiagnostik der Universität Graz hat das Team um Univ. Prof. Dr. Gerald Seinost und PD Dr. Gernot Wimmer im Sommer 2016 ein Projekt abgeschlossen, in welchem der Einfluss parodontaler Therapie auf die Entzündungen in Gefäßen bei Patienten mit einer peripheren arteriellen Verschlusskrankheit (PAVK) – fortschreitende Durchblutungsstörungen im Bereich der Becken- und Beinregion – untersucht. Die Ergebnisse werden derzeit ausgewertet.
Der Kardiologe Dr. Johannes Baulmann hat bereits 2014 als damaliger Leiter der Abteilung für Angiologie der Kardiologischen Klinik am Universitätsklinikum Schleswig- Holstein mit seinem Team nicht nur nachgewiesen, dass Patienten mit Parodontitis steifere Gefäße und einen höheren zentralen Blutdruck haben. Er ging auch der Frage nach, ob sich Bluthochdruck mit einer besseren Zahngesundheit wieder absenkt. Dafür wurden die Behandlungsfortschritte von 100 Patienten mit Parodontitis beobachtet. Nach zwölf Monaten stellten die Forscher fest, dass Patienten mit erfolgreich bekämpfter Zahnfleischentzündung auch elastischere Blutgefäße hatten. „Die Studie gibt erste Hinweise, dass mit der Parodontitis-Behandlung Herz-Kreislauferkrankungen und mögliche Folgen wie Herzinfarkt oder Schlaganfall reduziert werden könnten“, so Baulmann in einer Aussendung der Deutschen Hochdruckliga vom Dezember 2014[v].
Argument für regelmäßige Paro-Prophylaxe
Für die Dentalhygienikerin Petra Natter, die sich auf die Behandlung von Parodontitis spezialisiert hat, sind diese Erkenntnisse wichtig, um Parodontitis-Patienten gezielt zu motivieren: „Ich weise meine Parodontitis-Patienten darauf hin, wie eine unbehandelte Parodontitis etwa den Bluthochdruck ungünstig beeinflussen kann – nicht nur einmal ist es damit gelungen, unmotivierte Patientinnen und Patienten zur regelmäßigen Parodontitis-Prophylaxe und -behandlung zu motivieren.“
Die Prophylaxe-Assistentinnen haben hier eine wichtige Aufgabe, denn oft sind sie es, die im Rahmen der Prophylaxe-Sitzung als erste auf eine Parodontitis aufmerksam werden. „Wichtig ist auch, die Patienten darauf hinzuweisen, dass es mit einer einmaligen Behandlung nicht getan ist. Auch wenn die Entzündungen abgeklungen sind, muss der Biofilm regelmäßig entfernt werden, damit sich die Gingiva nicht wieder entzündet“, informiert Natter.
Parodontitis behandeln – Herz-Kreislauferkrankungen vorbeugen
Foto: © Artfamily – fotolia.de
Atherosklerose – primäre Ursache für Herzinfarkt, Schlaganfall und periphere vaskuläre Erkrankungen
Grafik: © Crevis – fotolia.de
Parodontitis: Der Patient hatte zweimal jährlich eine Mundhygiene-Behandlung, wurde aber nie sondiert oder auf seine Entzündungen aufmerksam gemacht.
Foto: © Petra Natter
Univ.-Doz. Dr. Gernot Wimmer
FA für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde
Vorstandsmitglied ÖGP
design. Präsident der Europäischen Gesellschaft für Parodontologie
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Petra Natter, BA, Dentalhygienikerin in Lochau, Vorarlberg
Foto: © privat
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