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Nekrotisierende Parodontalerkrankungen

By: | Tags: , , , , , | Comments: 0 | Oktober 8th, 2014

Bleiben solche nekrotisierenden Infektionen unerkannt bzw. untherapiert, entstehen massive und meist irreversible Schäden am Parodont. In der aktuellen Nomenklatur werden diese Formen der Parodontopathien in einer eigenen Kategorie zusammengefasst. Diese unterteilt sich in die „Nekrotisierend ulzerierende Gingivitis“ (NUG) und die „Nekrotisierend ulzerierende Parodontitis“ (NUP).

NUG und NUP

Die Ausdehnung einer NUG ist definitionsgemäß auf die Gingiva beschränkt, während bei der NUP darüber hinaus auch der Zahnhalteapparat betroffen ist. Beide Krankheitsformen weisen spezifische Krankheitsmerkmale auf, die sie von gewöhnlichen Gingivitiden oder Parodontitiden unterscheiden.

So sind die Kardinalsymptome der NUG und der NUP akute Schmerzen, interdentale Nekrosen und Ulzerationen. Ausgeprägte Blutungen im Bereich der Gingiva können spontan und ohne Berührung auftreten. Sowohl das Auftreten einer NUG als auch einer NUP wird häufig in Zusammenhang mit einer mutmaßlich systemisch bedingten Störung der Körperabwehr gegenüber bakterieller Infektionen beobachtet.

Charakteristika von NUG und NUP

Charakteristisch für die nekrotisierende ulzeröse Gingivitis sind Erytheme, sichtbar umrandete Rötungen der Schleimhautmembranen durch eine Entzündungen und eine Degeneration mit nachfolgendem Absterben der interdentalen Papillenzellen (Nekrosen). Begleitet wird dieses Krankheitsbild von einem metallischen Geschmack und fauligem Foetor ex ore. Nach der Ausheilungsphase bleiben häufig kraterförmige Papillendefekte bestehen.

Ursachenforschung

Als mikrobiologische Ursache scheinen eine anaerobe Mischflora mit Treponema- und Selenomonas-Stämmen sowie Prevotella intermedia, Porphyromonas gingivalis und Fusobacterium-Stämmen für die Infektion mitverantwortlich zu sein. Weiters ist auch eine Beteiligung von Cytomegalie-Viren an der Entstehung nekrotisierender Parodontalerkrankungen nicht ausgeschlossen. Prinzipiell werden nekrotisierende Parodontopathien in allen Altersgruppen beobachtet, jedoch liegt der größte Anteil im jungen Erwachsenenalter.

Klinisch unterscheidet sich die nekrotisierende Parodontitis (NUP) von der NUG durch ein Übergreifen der nekrotisierenden Entzündung auf alle Strukturen des Zahnhalteapparates. Es kommt also zu Nekrosen des gingivalen Gewebes, des Desmodonts und des Alveolarknochens. Einer NUP geht immer eine NUG einher. NUG kann unter Umständen fließend in eine NUP übergehen. Darüber hinaus können innerhalb der Mundhöhle unterschiedliche Stadien der Entzündung nebeneinander bestehen. Eine NUG kann zudem auch ihren Ausgang in einem bereits von chronischer oder aggressiver Parodontitis haben, was uns eine eindeutige Diagnosestellung erschwert.

 

Risiken für NUG und NUP

Diverse klinische Untersuchungen zeigten, dass das Auftreten von NUG/NUP von folgenden Risikofaktoren gefördert wird:

1. Störungen der Funktionsfähigkeit des Immunsystems
Die eingeschränkte Immunabwehr ist ein Risikofaktor für die NUG/NUP, dadurch sind HIV-positive Patienten häufiger von der Erkrankung betroffen als gesunde Patienten. Weitere systemische Erkrankungen mit negativem Einfluss auf das Immunsystem wie beispielsweise leukozytäre Defekte (wie Leukämien, nach Chemo- und Strahlentherapie) und bei immunsupprimierten Patienten (nach Transplantationen, bei rheumatoider Arthritis) stehen im Zusammenhang mit dem vermehrten Auftreten nekrotisierender Parodontalerkrankungen.

2. Psychosozialer Stress
Die Ergebnisse vieler Studien belegen, dass nekrotisierende Gingival/Parodontalerkrankungen häufig dann auftreten, wenn die Patienten starkem psychischem Stress ausgesetzt sind. Diese Erkrankungen werden besonders in Situationen emotionaler Anspannung ausgelöst, die das normale Ernährungsmuster beeinflussen und zu einem Nährstoffmangel führen. Es zeigt sich, dass Studenten während Examensprüfungen, ebenso wie Depressionspatienten und Patienten mit anderen psychischen Erkrankungen, für NUG/NUP anfälliger sind als psychisch unbelastete Patienten. Psychischer Stress kann auf vielfältige Weise das Immunsystem beeinflussen: Durch erhöhte Kortikosteroid- und Katecholaminblutspiegel wird die Funktion des Immunsystems maßgeblich beeinträchtigt. Dies kann zu einer reduzierten Mikrozirkulation der Gingiva sowie zu einer reduzierten Speichelproduktion führen.

3. Tabakkonsum
Rauchen wird in einschlägigen Literaturen als Risikofaktor für die Entstehung nekrotisierender Parodontalerkrankungen angeführt. Studien zufolge zeigt sich, dass unter den untersuchten Probanten mit manifester NUG/NUP zwischen 94 und 98 % aktive Raucher waren. Die Anzahl der täglich konsumierten Zigaretten scheint ebenfalls eine bedeutsame Rolle für die Entstehung und den Verlauf der NUG/NUP zu spielen. Nikotin und die zahlreichen anderen Bestandteile im Tabakrauch schädigen auf vielfältige Weise die Funktion des Immunsystems.

4. Mangelnde Mundhygiene
Zahlreiche Studien belegen den Einfluss schlechter Mundhygiene auf das Auftreten nekrotisierender Parodontalerkrankungen: Folglich entstehen  NUG/NUP in der Regel auf dem Boden einer bereits bestehenden chronischen Gingivitis. Es sollte jedoch auch bedacht werden, dass Patienten mit NUG/NUP oftmals eine starke Plaqueakkumulation vorweisen, die aufgrund der Schmerzhaftigkeit der Erkrankung unterlassener Mundhygiene darstellt.

5. Mangelernährung
Protein- und vitamindefiziente Fehl- und Mangelernährung ist ein Risikofaktor, der in den Europäischen Nationen nur eine untergeordnete Rolle spielt. Außer wie schon in Punkt 2 erwähnt die durch stressinduzierte Fehlernährung.

Auf diese Symptome sollte man achten

Im Unterschied zu anderen parodontalen Erkrankungen beginnt die NUG interdental mit starken Nekrosen der Papillen. Dieses Symptom wird in der Literatur oft als „ausgestanzte Papille“ beschrieben. Begleitend kommt es zu Blutungen und starken Schmerzen in den betroffenen Arealen.

Der Schmerz ist ein prägnantes Unterscheidungsmerkmal gegenüber anderen Parodontalerkrankungen, da diese in der Regel schmerzlos ablaufen. In den meisten Fällen sind die Beschwerden bei NUG-Patienten so stark, dass sie keine feste Nahrung zu sich nehmen können und eine adäquate Mundhygiene undurchführbar ist. Wenn sowohl die Nahrungsaufnahme und Zahnreinigung über einen längeren Zeitraum vernachlässigt werden, kann es zur Bildung von gräulich-gelben Belägen auf den Weichgeweben kommen, welche die Ulzerationen bedecken.
Sie sind leicht zu entfernen, können dabei aber zu Spontanblutungen und  Schmerzen führen. Mit gingivalen Läsionen können weitere Symptome wie Foetor ex ore, Lymphadenopathie, reduzierter Allgemeinzustand und Fieber einhergehen; müssen jedoch nicht immer mit der Erkrankung einhergehen.

Therapeutische Maßnahmen

Bei nekrotisierenden und ulzerierenden Gingivitis- und Parodontitisformen ist eine professionelle Zahnreinigung kontraindiziert. In beiden Fällen ist eine rasche Eindämmung der Krankheitsaktivität erforderlich um eine weitere Ausbreitung der Gewebenekrosen zu verhindern und die Schmerzsymptomatik zu beseitigen.

Die Keimelimination erfolgt durch ein äußerst behutsames Abwischen der weichen Beläge und ein vorsichtiges Abtupfen mit einem chlorhexidingetränkten Wattepellet.

Da die häusliche Mundhygiene anfangs eingeschränkt ist, empfiehlt sich täglich eine zwei- bis dreimalige Spülung der Mundhöhle mit 0,1- bis 0,2%igen Chlorhexidindigluconatlösungen und dem Einsatz einer FlapZahnbürste (sanfte Wischtechnik nach Bass, sofern schmerztechnisch vertretbar). Unterstützend kann vom Zahnarzt ein gängiges Analgetikum verordnet werden. Nach dem Abklingen der Akutsymptome werden alle harten und weichen Ablagerungen entfernt, im Schmerzfall unter Lokalanästhesie.

Um eine weitere lokale Gewebszerstörung zu verhindern, empfiehlt es sich, auf die betroffenen Gingiva-Areale ein lokales Kortikosteroidpräparat (z. B. Dontisolon® Mundheilpaste) aufzutragen, da das darin enthaltene Kortison die überschießende Freisetzung gewebeauflösender Enzyme und Botenstoffe durch die Zellen des Immunsystems rasch unterbindet.

Mit einer professionellen Begleitung und einem motivierten Patienten sollte es zu einer raschen Abheilung und Genesung kommen.

 

Autorin:
Barbara Bergmann
Prophylaxeassitentin in Wien