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Mensch ärgere dich nicht

By: | Tags: , , , , , , | Comments: 0 | Februar 10th, 2010

Stress & Parodontitis: Was wirklich wahr ist?

Dass man bei Stress häufig – und nicht nur symbolisch – „die Zähne zusammenbeißt“, kennt jeder.


Dass es aber noch viel mehr Verbindungen zwischen der Psyche und den Zähnen gibt, ist noch weit weniger bekannt. Das Auftreten einer Parodontitis ist im Wesentlichen von pathogenen Mikroorganismen bestimmt. Trotzdem werden die klinische Manifestation und die Progression von einer Reihe wirtsspezifischer Faktoren beeinflusst. Dieser Einfluss ist für einige Risikofaktoren (wie z.B. das Rauchen, spezifische Mikroorganismen oder unzureichend eingestellter Diabetes) gesichert und für andere Faktoren (wie Interleukin-1-Polymorphismus oder Osteoporose) wahrscheinlich. Auch psychischer Stress, dessen Bedeutung hier näher beleuchtet werden soll, zählt dazu.

Schon seit den 90er Jahren werden Studien zu einem möglichen Zusammenhang zwischen dem Auftreten bzw. der Progression von Parodontitiden und psychischem Stress durchgeführt. Dabei wurde das Phänomen auf verschiedensten Ebenen untersucht: in klinischen Studien, in Tiermodellen und auch in Zellkulturen. Bei der Beurteilung aller Studien muss man beachten, dass die Parodontitis – in ihrer häufigsten Verlaufsform – einen langsam fortschreitenden, chronischen Prozess darstellt. Die Tatsache, dass sich der Krankheitsverlauf über Jahre hinzieht und zusätzlich nicht nur von einem, sondern von einer Vielzahl von Faktoren bestimmt wird, erschwert natürlich die isolierte Bewertung des Einflusses von Einzelfaktoren.

Zusammenhang erwiesen

In den meisten Untersuchungen der letzten Jahre, die sich auf das Auftreten einer Parodontitis, den Schweregrad bzw. die Progression einer vorhandenen Parodontitis und auf die Wundheilung nach parodontalen Eingriffen beziehen, konnten Zusammenhänge von Stress und Parodontitis nachgewiesen werden. Auch für aggressive Formen der Parodontitis oder bei refraktären Formen wurde ein Einfluss beobachtet. Obwohl in einigen Studien kein signifikanter Einfluss von Stress nachweisbar war, wurden solche Ergebnisse oft von den Autoren selbst auf die Art der angewendeten Untersuchungstechnik oder die gewählte Patientenstichprobe zurückgeführt. Zusätzlich wurde ein möglicher Zusammenhang mit der Stressbewältigung bzw. dem Persönlichkeitsprofil der Parodontitis-Patienten untersucht. Individuell unterschiedliche Problemlösungsstrategien (problemorientiert oder emotional) und Persönlichkeitsstrukturen (offensiv-rigide oder defensiv-ängstlich) scheinen hier eine entscheidende Rolle zu spielen. Man muss jedoch beachten, dass das Ausmaß von Stress in diesen Untersuchungen nur schwer quantifizierbar oder zumindest von der Auswahl der untersuchten Parameter abhängig ist.

Andere Untersuchungen beschäftigen sich mit den zugrundeliegenden pathobiologischen Mechanismen in der Beziehung von Stress und Parodontitis. So wurden erhöhte Konzentrationen von Kortikosteroiden und Zytokinen (Interleukine) im Sulkusfluid von Patienten mit Stress nachgewiesen. Es wurden auch eine vermehrte Ausschüttung von Interleukin-1β und Kortikoiden, eine Veränderung der humoralen Abwehr (IgG-Antikörper) und eine Veränderung der subgingivalen Mikroflora durch stressbedingte Katecholamine festgestellt. Auch eine Modifikation des Reaktionsmusters von Makrophagen wurde unter Stresseinfluss beschrieben. D.h., dass unter Stress vor allem jener Immunparameter im Bereich der Zähne ansteigt, der von Parodontologen hauptsächlich für die Knochenzerstörung verantwortlich gemacht wird. Der Anstieg von Interleukin-1β fällt zudem umso deutlicher aus, je schlechter die Mundhygiene an den betroffenen Zähnen ist. Gleichzeitig sinkt unter Stress häufig die Speichelkonzentration des wichtigen Immunparameters Immunglobulin A. Dies wurde auch in einer Studie mit Studenten unter Examensbedingungen eindeutig belegt. Der Effekt war in der Gruppe der weiblichen Studienteilnehmer mit gleichzeitigem Plaquebefall und hohem Stressfaktor am deutlichsten ausgeprägt.

Wie geholfen werden kann

Die Parodontitis ist eine multifaktoriell beeinflusste Erkrankung, deren Entstehung und Progression nicht allein auf die Anwesenheit und Virulenz pathogener Mikroorganismen zurückzuführen ist, sondern auch durch viele Wirtsfaktoren mitbestimmt wird. In diesem Zusammenhang spielt der psychosoziale Stress sowohl hinsichtlich der Entstehung als auch des Verlaufs einer Parodontitis eine Rolle. Wie groß dieser Einfluss ist, kann aus heutiger Sicht noch nicht exakt beurteilt werden. Vor allem bei einer Kombination von Stress und weiteren Faktoren (z.B. Nikotinkonsum) kann es zu einer wechselseitigen Verstärkung kommen. Auch andere Stressfaktoren wie Schlafmangel, Ängste sowie psychosoziale Faktoren wie nachhaltige Erlebnisse, berufliche bzw. familiäre Krisen sollten hier Beachtung bei der Beurteilung der individuellen Patientensituation finden. Stress gehört allerdings zu den veränderbaren Risikofaktoren und „Mensch ärgere Dich nicht“ könnte eine – wenn auch für Patienten oft nur schwerlich realisierbare – Aufforderung zur Gesunderhaltung des Parodonts sein. Wichtiger Faktor ist und bleibt auch bei Stress-getriggerter Parodontitis eine besonders sorgfältigem professionelle wie auch häusliche Mundhygiene des Patienten.

 

Autor:
Erich Bergmann
Kommunikationsexperte
für Gesundheitsangelegenheiten