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Keine Angst vor Patienten mit Periimplantitis

By: | Tags: | Comments: 0 | Juli 9th, 2015

Immer häufiger werden heutzutage auch bei Patienten mit bestehender Parodontitis Implantate eingesetzt. Diese besondere Konstellation stellt den Zahnarzt und sein Team täglich vor neue Herausforderungen, auch oder vor allem bei der professionellen Prophylaxe.

Die ersten Zahnimplantate wurden bereits in den 1980er Jahren gesetzt. Seitdem hat man bei Entzündungsprozessen immer wieder Ähnlichkeiten zwischen Periimplantitis und Parodontitis festgestellt. Die Periimplantitis ähnelt der Parodontitis des natürlichen Zahnes. Eine Periimplantitis geht einher mit der Entzündung und dem Rückgang von Schleimhaut (periimplantäre Mukositis) und Knochen (Periimplantitis) im Bereich eines oder mehrerer Implantate und führt unbehandelt unweigerlich zum Verlust des Implantates. Implantate werden im Knochen verankert. Darüber liegt die Schleimhaut und nochmals darüber die Suprakonstruktion, beispielsweise eine Krone oder Prothese. Wie am natürlichen Zahn lagern sich auch an Implantaten Beläge ab, die aus Speiseresten, Bakterien und Speichelbestandteilen bestehen.

Werden diese Beläge nicht oder nicht ausreichend entfernt, so entsteht zunächst eine periimplantäre Mukositis, eine Entzündung der Schleimhaut über dem Implantat. Diese Entzündung ist in etwa gleichzusetzen mit einer Gingivitis, der Zahnfleischentzündung. Die periimplantäre Mukositis heilt durch Beseitigung der verursachenden Beläge in der Regel wieder komplikationslos aus. Persistieren jedoch die Beläge, greift die Entzündung auch auf den Knochen über, und es kommt zum Knochenabbau um das Implantat, was als Periimplantitis bezeichnet wird.

Nach dem Ausmaß des Knochenverlustes unterscheidet man vier Klassen:

  • Mukositis mit leichtem Knochenverlust < 1/4 der Implantatlänge
  • Mukositis mit mittlerem Knochenverlust < 2/4 der Implantatlänge
  • Mukositis mit schwerem Knochenverlust < 3/4 der Implantatlänge
  • Mukositis mit schwerstem Knochenverlust bis 4/4 der Implantatlänge

Die Symptome und Beschwerden entsprechen in etwa denen der Parodontitis:

  • Süßlicher Mundgeruch
  • Schmerzen beim Zähneputzen im Bereich des Implantates
  • Zahnfleischbluten
  • Zahnfleischrückgang
  • Knochenrückgang (röntgenologisch feststellbar)
  • Implantatlockerung
  • Implantatverlust

Diagnostische Maßnahmen

Bei Implantaten empfiehlt sich, wegen der oft ausgeprägten Kronenform, eine flexible Kunststoffsonde heranzuziehen. Wird eine höhere Sondierungstiefe festgestellt, so sagt das vorerst nur aus, dass in der Vergangenheit ein Knochenabbauprozess stattgefunden hat. Dies gilt auch für einen entsprechenden Röntgenbefund. Beginnende Knochendestruktionen können dabei aber nicht erkannt werden.

Vorsicht ist bei einer Blutung auf Sondierung geboten: Man hat festgestellt, dass in nur 6% der Fälle die Blutung auch einen aktiven Entzündungsprozess im Knochen anzeigt. Nur bei einem negativen Sondierungsbluten kann – mit einer Wahrscheinlichkeit von über 98% – davon ausgegangen werden, dass es sich wirklich um ein entzündungsfreies Parodont handelt.

Die derzeit einzige Möglichkeit, eine aktive Knochendestruktion zu erkennen, ist mittels der aktivierten Matrix-Metalloproteinase 8 (aMMP-8). Dabei wird in der Sulcusflüssigkeit das Vorkommen von aMMP, einem kollagenabbauenden Enzym, das parodontales und periimplantäres Gewebe zerstört, festgestellt. Diese Methode kann man lokal beim betreffenden Implantat oder Zahn mittels einer Papierspitze anwenden. Diese wird ins Labor geschickt und bereits am Folgetag erhält man das Ergebnis. Eine andere Möglichkeit ist der aMMP-8-Schnelltest (PerioMarker®, Chlorhexamed® oder PerioSafe® Pro, Dentognostics), der in der Ordination mit dem Speichel des Patienten durchgeführt werden kann. Vorteil dieses Tests ist, dass man sofort erkennen kann, ob sich der Patient in einer akuten Entzündungsphase befindet. Der Nachteil dieses Vorgehens ist allerdings, dass es dabei keine Aussage über die Lokalisation der betroffenen Parodontien gibt: Ist beispielweise nur eine Stelle betroffen, so kann man die Behandlung nicht auf diese Stelle begrenzen, sondern muss alle Zähne und Implantate rund um die betroffene Stelle mittherapieren.

Die aMMP-8-Konzentration bei einer Periimplantitis zeigt, verglichen mit einer chronischen Parodontitis, einen 12-fach höheren Wert an! Dies spiegelt leider auch den bei einer Periimplantitis tatsächlich viel schneller voranschreitenden Knochenabbau wider. Früherkennung mittels eines aMMP-8-Tests steht daher an oberster Stelle.

Vorbeugung ist wichtig

Konsequenz bei der täglichen Mundpflege ist entscheidend. Weiters sollen auch die regelmäßigen Kontrolluntersuchungen beim Zahnarzt sowie die professionelle Zahnreinigung durch eine Prophylaxe-Assistentin, bei der auch vernachlässigte „Putznischen“ gesäubert werden können, in regelmäßigen Abständen wahrgenommen werden.

Darauf sollten Sie bei Periimplantitis-Patienten im Rahmen der Prophylaxesitzung besonders achten:

  • Die Zahnzwischenräume im Seitenzahnbereich stellen die Patienten vor eine große zeitraubende Herausforderung und sorgen damit für mangelnde Compliance. Nur mit einem Aufklärungsgespräch und einem individuellen Putztraining (richtiger Einsatz von Zahnbürste, Zahnseide, Interdentalbürsten u.Ä.) mit dem Patienten am Behandlungsstuhl kann eine gründlichere häusliche Pflege erwartet werden.
  • Beläge auf der Zunge dürfen nicht unterschätzt werden. Auch eine gründliche Zungenreinigung kann dem Entstehen oder Wiederauftreten von Erkrankungen und auch unangenehmem Mundgeruch vorbeugen.
  • Die Köpfe einiger Mundduschen sind mittlerweile so konstruiert, dass es großteils vermieden werden kann, Plaque tiefer in die Parodontaltaschen einzubringen. Dies setzt jedoch eine bewusste Anwendung voraus. Zum einen gibt es den Sonicare AirFloss der Firma Philips und zum anderen gibt es den Water Flosser von Waterpik, die impulsartig die Beläge oberhalb der Zahnfleischpapille lösen. Die Anwendung dieser Mundduschen ist zwar einfach, kann jedoch nicht mit der Gründlichkeit von Zahnseide mithalten.
  • Bestehende Zahnfleisch- oder Knochentaschen können mit keinem Hilfsmittel bei der häuslichen Pflege gereinigt werden und sind unbedingt im Rahmen einer regelmäßigen professionellen Mundhygienesitzung zu reinigen.

Konservierende Periimplantitistherapie

Antibakterielle Spülungen sowie eine „Full-Mouth-Disinfection“ können nur durch konsequente Mitarbeit vom Patienten für langfristige Erfolge sorgen. Aufgrund mangelnder Sicht, hoher Verletzungsgefahr des umliegenden Gewebes und möglicher Beschädigung der Implantatoberfläche können Spülungen, die bei Prophylayxesitzungen zum Einsatz kommen, nicht von Patienten selbst verwendet werden. Daher kommen viele Patienten bereits binnen weniger Tage wieder zum Ausgangsstatus wie vor Therapiebeginn zurück.

Bei aggressiven Entzündungen sollte neben einer antibiotischen/systemischen Therapie auch eine möglichst zeitnahe minimalinvasive mechanische Therapie stattfinden. Dies ermöglicht eine rasche Stabilisierung des periimplantären Gewebes. Bei kleinen und chronischen Entzündungen zeigt sich auch ohne Antibiotika ein Therapieerfolg, für den schon ein engmaschiges Recallintervall und eine mechanische Behandlung ausreichen. Das Behandlungsintervall sollte daher bei jeder Sitzung individuell anhand der aktuellen Gegebenheiten neu abgestimmt werden.

Vor eine große Herausforderung stellen uns vor allem die motivierten Patienten, die zwar eine gute Zahnpflege betreiben, aber trotzdem eine (aggressive) Periimplantitis entwickeln. Diese Menschen leiden oft unter einem beeinträchtigten Immunsystem. Aus diesem Grund ist die Implantatversorgung bei diesen Patienten auch häufig nicht von großer Dauer.

Das richtige Handwerkszeug

Neben den altbewährten Metallküretten stehen uns heutzutage vielzählige moderne Instrumente zur Verfügung, die eine chirurgische Behandlung nicht erforderlich machen:

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  • Plastik- und Titanküretten erreichen auf Grund ihrer Form die feinen Implantatgewinde nicht. Zudem wird das umliegende Gewebe stark traumatisiert.
  • Ultraschallsysteme mit angepassten Aufsätzen können die Implantatoberflächen wirkungsvoller reinigen. Dazu gehören das Vector-System; Dürr Dental oder das Piezon Master/Implant Cleaning System; EMS.2
  • Laserlichtsysteme (CO2, Dioden und Er:YAG) garantieren eine schonende Behandlung der Oberflächen. Das Er:YAG-Lichtsystem konnte im Vergleich mit den Küretten und dem Vector-Ultraschall-System eine Verbesserung der Entzündungsparameter nach der Behandlung aufweisen. 3,4
  • Die antimikrobielle Photodynamische Therapie (aPDT) erreicht in Kombination mit einer blauen Färbelösung, die sich an der Bakterienmembran anhaftet, eine unwiderrufliche Schädigung dieser. In einigen Vergleichsuntersuchungen wurde gezeigt, dass die Kombination von aPDT und Scaling/Root Planing ein besseres Kurzzeitergebnis nach 3 und 6 Monaten aufweist als das alleinige Scaling/Root Planing.5
  • Eine kürzlich veröffentlichte Studiemit unbe­handelten chronischen Parodontitispatienten, bei der die eine Gruppe Scaling + aPDT hatte und die andere Gruppe Scaling + Amoxicillin/Metronidazol, zeigte jedoch, dass die antimikrobielle Photodynamische Therapie keinen Ersatz für eine antibiotische Therapie darstellt.
  • Bei der Photothermischen Therapie (PTT) wird im Gegensatz zur aPDT mit dem fluoreszierenden Farbstoff Indocyaningrün gearbeitet. Durch die Laserlichtaktivierung kommt es zu einer Erwärmung der Parodontalpathogenen Bakterien, die das Absterben dieser garantieren soll.
  • Pulverstrahlgeräte haben sich mittlerweile zu einer adäquaten Behandlungsmöglichkeit zur Biofilmbekämpfung entwickelt. Mit speziellen Aufsätzen können wenig abrasive und lösliche Glycin-Pulver (z.B. AirFlow Powder Perio, EMS) auch subgingival schonend angewendet werden. Beobachtungen zeigen, dass die Behandlung mit dem aus etwa 20-25 µm großen Glycin-Kristallen ein deutlich besseres Reinigungsergebnis erzielt als die herkömmliche Anwendung von Küretten und Ultraschallscalern.7-10
  • Das neue AirFlow Powder PLUS (EMS) ermöglicht mit nur 14 µm großen Glycin-Kristallen (?) eine gründliche supra- und subgingivale Reinigung ohne Nachpolieren. Diesem Pulver ist Chlorhexidin beigemengt; es bleibt jedoch abzuwarten, ob damit auch eine Verbesserung der Reinigungsleistung gegeben ist.11
  • Die Behandlungsmethode mittels Air Flow System (EMS) garantiert eine 3-5 mal kürzere Sitzungsdauer, kann aber keine länger andauernde Dekontaminationsdauer erzielen als herkömmliche Handinstrumente.
  • Chemische Methoden wie z. B. die Applikation von Chlorhexidin, Ätherische Öle (in Kombination mit oder ohne Alkohol), Wasserstoffperoxid, Triclosan, Zitronensäure u. a. sollten aufgrund der geringen Durchdringungstiefe beim Biofilm kritisch hinterfragt werden. Wie bereits erwähnt, konnten bei einer „Full-Mouth-Disinfection“ keine klinischen Vorteile beobachtet werden.

Fazit

  • Das einzige echte Frühwarnsystem für Entzündungsvorgänge im Parodont stellt ein aMMP-8-Test dar.
  • Handinstrumente sind zwar kostengünstig, dafür aber sehr zeitintensiv, ungenau, traumatisch und deren Einsatz kann mitunter schmerzhaft für den Patienten sein.
  • Erfolge mit Pulverstrahl- oder Laserlichtverfahren sollen nicht täuschen, da die Dekontamination nur vorübergehend ist.
  • Häusliche Pflege ist im subgingivalen Bereich nicht realisierbar.
  • Bei einer aggressiven Periimplantitis sollte also neben der Antibiotikagabe auch eine zeitnahe, minimalinvasive mechanische Reinigung stattfinden, um eine Stabilisierung zu erzielen.

Um den Therapieerfolg langfristig zu verbessern, wäre es wünschenswert, die bestehenden Therapieverfahren vor allem hinsichtlich der Wirkdauer weiterzuentwickeln. Jede Prophylaxe-Assistentin würde sich darüber freuen.

 

Autorin:
Ana Freitag, Prophylaxe-Assistentin in Wien

 

Quelle:
Periimplantitis – Eine Herausforderung; Dr. Jan Müller; ZWP-online; 2014
Referenzen: 1) Implantat-berater.at; letzter Zugriff 14.07.2015 2) Schwarz F Bieling K, Sculean A, Herten M, Becker J: Laser und Ultraschall in der Therapie periimplantärer Infektionen – eine Literaturübersicht. Schweiz Monatsschr Zahnmed 2004; 114: 1228-1235 3) Schwarz F., Aoki A., Sculean A, Georg T., Scherbaum W., Becker J.: In vivo effects of an Er:YAG laser, an ultrasonic system and scaling and root planing on the biocompatibility of periodontally diseased root surfaces in cultures of human PDL fibroblasts. Lasers Surg Med 2003; 33: 140-147 4) Muthukuru M., Zainvi A., Esplugues EO., Flemmig TF.: Non-surgical therapy for the management of peri-implantitis: a systematic review. Clin Oral Implants Res 2012; 23: 77-83 5) Betsy J., Prasanth CS., Baiju KV., Prasanthila J., Susash N.: Efficacy of antimicrobial photodynamic therapy in the management of chronic periodontitis: a randomized controlled clinical trial. J Clin Periodontol 2014 Mar 12-doi: 10.1111/jcpe.12249. [Epub ahead of print] 6) Arweiler NB., Pietruska M., Pietruski J., Skurska A., Dolinska E., Heumann C., Auschill TM., Sculean A.: Six-month results following treatment of aggressive periodontitis with antimicrobial photodynamic therapy or amoxicillin and metronidazole. Clin Oral Investig 2014 Feb 4. [Epub ahead of print] 7) Petersilka GJ, Steinmann D, Haberlein I, Heinecke A, Flemming TF: Subgingival plaque removal in buccal and lingual sites using a novel low abrasive air-polishing powder. J Clin Periodontol 2003; 30: 328-333 8) Petersilka GJ, Tunkel J, Barakos K, Heinecke A, Haberlein I, Flemming TF: Subgingival plaque removal at interdental sites using a low-abrasive air-polishing powder. J Periodontol 2003; 74: 307-311 9) Flemming TF, Hetzel M, Topoll H, Gerss J, Haberlein I, Petersilka GJ: Subgingival debridement efficacy of glycine powder air-polishing. J Periodontol 2007; 78: 1002-1010. 10) Tastepe CS, van Waas R, Liu Y, Wismeijer D: Air powder abrasive treatment as an implant surface cleanung method: a literature review. Int J Oral Maxillofac Implants 2012; 27: 1461-1473 11) new.ems- company.com; letzter Zugriff 16.07.2015