Infektionsprävention in der Zahnarztpraxis: Was können Mundspülungen beitragen?
Seit Ausbruch der Corona-Pandemie ist das Thema Infektionsprävention brandaktuell. Auch Zahnarztpraxen haben ihre Hygienemaßnahmen verschärft. Aus Wuhan haben wir recht früh erfahren, dass das routinemäßige Tragen von Masken und Handschuhen eine Übertragung von COVID mindern kann. Immerhin haben sich dort in der heißen Phase nur 9 Personen des Zahnklinik-Personals angesteckt wie ein örtlicher Wissenschaftler darlegt.
Doch wie sieht es mit Mundspüllösungen aus? Prof. Dr. Nicole Arweiler von der Philipps-Universität Marburg (UKGM) befasst sich seit vielen Jahren mit deren Wirksamkeit. Sie verweist auf aktuelle Studienergebnisse zur antiseptischen Wirkung von Mundspüllösungen.
Die antibakterielle Wirkung von Desinfektionsmitteln hat durch Donald Trump einen medialen Höhepunkt, oder besser gesagt Tiefpunkt erreicht: seine COVID-19-Therapieempfehlung „Desinfektionsmittel intravenös zu verwenden“ schlug hohe Wellen und sorgte wie so viele seiner Aussagen für Unverständnis. Wie steht es nun tatsächlich um die Wirksamkeit von Mundspülungen zur Infektionsprävention? Was meint die Fachwelt dazu?
Im Zuge der Covid-19-Pandemie ist neben vielen anderen Themen in der Zahnmedizin auch die Schleimhautantiseptik vor der zahnärztlichen Behandlung (das sogenannte „Prerinse“) in den Fokus gerückt. Es gibt eine große Unsicherheit in Bezug darauf, welche Mundspüllösung die Richtige sei. U.a. wurde vorgeschlagen, dass Chlorhexidin durch Wasserstoffperoxid (H2O2) ersetzt werden sollte. Eine weitere Empfehlung lautet, dass sogar beides zur Spülung zu verwenden ist. Um den Patienten eine optimale Therapie zu gewähren, empfiehlt die Expertin für Parodontologie und Mundhygiene Prof. Dr. Nicole Arweiler, die vorhandene Datenlage differenziert zu betrachten.
Im Zusammenhang mit neu publizierten Empfehlungen verschiedener Institutionen in Fachmedien wird der bisherige Goldstandard zur Spülung vor einer zahnärztlichen Behandlung, 0,2-prozentiges Chlorhexidin (CHX), in Frage gestellt. Als Begründung für die Empfehlung mit Wasserstoffperoxid, bzw. aufeinanderfolgend mit CHX und H2O2 zu spülen, wird angeführt, dass sich CHX als nicht so wirksam gegen Corona-Viren zeige. In den meisten Veröffentlichungen wird – wenn überhaupt – ein Artikel im „Journal of Hospital Infection“ als Quelle genannt.[1]
Um in der Praxis sowohl dem Patienten als auch dem Team eine optimale Keimzahlreduktion zu ermöglichen, sollten gemäß Arweiler dazu die nachfolgenden Aspekte berücksichtigt werden. Im zitierten Artikel[1] wird die desinfizierende Wirkung von Oberflächen-Desinfektionsmitteln (inanimate surfaces) untersucht, nicht die intraorale Schleimhautantiseptik, diese wird im genannten Artikel gar nicht berücksichtigt. Hintergrund des Artikels ist also die Desinfektion des zahnärztlichen Equipments, bei dem sich H2O2 als effektiver gegenüber Corona-Viren als Chlorhexidin gezeigt hat. Produkte, die zur Desinfektion von Equipment geeignet sind, können aber nicht automatisch auch zum Spülen im Mund verwendet werden. Weiterhin sollte berücksichtigt werden, dass in der Untersuchung des zitierten Artikels ein 0,02-prozentiges CHX verwendet wird. Nur diese Dosierung wird für Flächen als weniger effektiv als H2O2 bewertet.[1] Die in der Praxis bewährte Mundspüllösung CHX 0,2% (wie z.B. in meridol® med CHX 0,2%) zur Schleimhautantiseptik basiert auf einer 0,2-prozentigen, also 10-fach höheren, CHX-Dosierung.
Teilweise wird in der Diskussion um die (geringere) Wirkung von CHX gegen Corona-Viren auch eine Untersuchung genannt, in der als Quelle die „Guideline der Volksrepublik China“ aufgeführt wird.[2] Man zitiert hier „Chlorhexidin tötet 2019-CoV möglicherweise nicht wirksam ab“ und empfiehlt stattdessen „1% H2O2 oder 0,2% Povidon-Jod“. Allerdings ist diese Quelle nicht abrufbar.
Was die Anwendung von H2O2 als Mundspüllösung betrifft, wurde dagegen in früheren Untersuchungen die krebserregende Wirkung von Wasserstoffperoxid in Mundspüllösungen festgestellt.[3] In der S3-Leitlinie der Deutsche Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (DGZMK)[4] kommt beispielsweise H2O2 gar nicht vor. Auch ein aktueller Artikel mit Wissen und Empfehlungen rund um Covid-19[5] empfiehlt im Kapitel zur intraoralen Untersuchung (Oral Examination) grundsätzlich das präoperative, antimikrobielle Spülen der Mundhöhle und verweist auf frühere Publikationen, wie zum Beispiel von Marui et al. [6] Dort werden dann explizit Chlorhexidin (CHX), Cetylpyridnium chlorid (CPC) und ätherische Öle (EO) genannt, H2O2 findet auch dort keine Erwähnung.
In diesem Zusammenhang konnte auch für bestimmte alkoholhaltige Mundspüllösungen keine bessere antibakterielle Wirkung als für alkoholfreie CHX-Produkte gezeigt werden.[7]
Zusammenfassend kann also festgestellt werden, dass sich keine der bisher bekannten neuen Untersuchungen im Zusammenhang mit der Wirkung von Chlorhexidin auf SARS-CoV-2-Viren (Corona) auf die Anwendung in der Mundschleimhaut beziehen. Gleichzeitig wird in Untersuchungen, die sich mit der Schleimhautantiseptik befassen, weder H2O2 noch Jodid empfohlen.
Wenn bewährte Wirkstoffe für das präoperative Spülen durch andere, möglicherweise stärker antivirale, Wirkstoffe ersetzt werden sollen, dann müsste zwingend auch auf die Verträglichkeit und Nebenwirkungen in der Mundhöhle geachtet werden. Was sich experimentell oder auf „unbelebten Oberflächen“ als wirksam erweist, kann nicht ohne weiteres auf Mundschleimhautoberflächen benutzt werden.
Bis die Studienlage eine andere Aussage zulässt, ist die Empfehlung der Expertin daher die weitere Verwendung von 0,2-prozentigem Chlorhexidin, wie beispielsweise in meridol® med CHX 0,2%, als Mundspüllösung vor der zahnärztlichen Behandlung.
Quellen:
[1]Kampf et al., „Persistence of coronaviruses on inanimate surfaces and their inactivation with biocidal agents”, J of Hosp Infect 104, 2020
[2]Peng et al., Transmission routes of 2019-nCoV and controls in dental practice”, Int J Of Oral Sci, 2020
[3]Alberto Consolaro, “Mouthwashes with hydrogen peroxide are carcinogenic…”, Dental Press J. Orthod. vol.18 no.6 Maringá, Nov./Dec. 2013
[4]Auschill, Sälzer, Arweiler et al., S3-Leitlinie „Häusliches chemisches Biofilmmanagement in der Prävention und Therapie der Gingivitis“, AWMF-Registernummer: 083-016, November 2018
[5]Meng et al., “Coronavirus Disease 2019 (COVID-19): Emerging and Future Challenges for Dental and Oral Medicine”, Journal Dental Research 1-7, 2020
[6]Marui e al., “Efficacy of preprocedural mouthrinses in the reduction of microorganisms in aerosol”, J of the American Dental Association (1939), November 2019
[7]Lorenz et al., “Effect of two new chlorhexidine mouthrinses on the development of dental plaque, gingivitis, and discolouration.”, J Clin Periodontol, 2006
Prof. Dr. Nicole Arweiler
Bild: © Silvia-Kriens
„Verschiedene antibakterielle Mundspüllösungen haben in vitro Potential zur Abtötung von SARS CoV2. Fraglich ist allerdings wie diese an den „Ort des Geschehens“ gelangen. Weitere, klinische Studien, werden benötigt.“
„Prerinse in der täglichen Praxis muss ein Kompromiss sein, der bewährte antibakterielle Aktivität und eine zumindest moderate Wirkung gegenüber Viren kombiniert. Die derzeitig empfohlenen Goldstandards gelten für mich noch immer.“
Prof. Dr. Nicole Arweiler
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