Hyaluronsäure als Adjuvans in der nicht-chirurgischen Parodontaltherapie
Hyaluronsäure ist ein wesentlicher Bestandteil in zahlreichen Haut- und Haarpflegeprodukten und wird beispielsweise in der Dermatologie in vielen Indikationen seit langem verwendet. Hyaluronsäure hat sich in den letzten Jahren aber auch in der Zahnheilkunde etabliert und wurde in den unterschiedlichsten Indikationen getestet; beispielsweise als Zusatz in der nicht-chirurgischen und chirurgischen Parodontaltherapie, in der Mukogingivalchirurgie, bei knöchernen Augmentationen, und vieles mehr.
Dieser Trend wird unterstützt von den Ergebnissen zahlreicher wissenschaftlicher Arbeiten, einschließlich systematischer Übersichtsarbeiten, die einen potenziell positiven Effekt von Hyaluronsäure in den unterschiedlichsten Indikationen belegen. In diesem Beitrag liegt der Fokus auf der nicht-chirurgischen Parodontaltherapie und inwieweit Hyaluronsäure den Effekt der nicht-chirurgischen Parodontaltherapie sowohl durch eine supra- und/oder subgingivale Applikation in der Praxis als auch durch tägliche supragingivale Applikation durch den/die Patient:in zuhause verbessern kann.
Was ist Hyaluronsäure?
Hyaluronsäure ist ein natürlicher Bestandteil des menschlichen Körpers und es wird geschätzt, dass der Körper einer Person mit 70 kg ungefähr 15 g Hyaluronsäure enthält; ein Drittel davon wird täglich abgebaut und neu produziert (Stern 2004). Hyaluronsäure befindet sich beispielsweise in der Haut, in der Gelenksflüssigkeit, im Knorpelgewebe, im Glaskörper des Auges, aber eben auch im Zahnfleisch und im Parodont (Bhati et al. 2022). Die Hauptmerkmale von Hyaluronsäure sind seine Viskoelastizität und Hygroskopie; so kann beispielsweise 1 g Hyaluronsäure bis zu 6 Liter Wasser binden (Sutherland 1998).
Diese Eigenschaften sind unter anderem für die Gewebeelastizität, die Hydrodynamik sowie das Gewebevolumen der Haut relevant. Um Hyaluronsäure in diversen medizinischen Produkten verarbeiten zu können, wurde sie traditionell aus dem Gewebe des Hahnenkamms hergestellt. Dies hatte aber den Nachteil, dass die eventuell enthaltenen Vogelproteine zu allergischen Reaktionen führen können. Deswegen wird in den heutigen Produkten hauptsächlich Hyaluronsäure verwendet, die im Rahmen eines Fermentationsprozesses mit Streptokokken entsteht (Sze et al. 2016).
Wie kann man Hyaluronsäure in der nicht-chirurgischen Parodontaltherapie einsetzen?
Hyaluronsäure hat zahlreiche positive Eigenschaften: entzündungshemmend, bakteriostatisch, wundheilungsfördernd, osteoinduktiv, proangiogenetisch, und vieles mehr (Mani et al. 2016). Dementsprechend verstärkte sich auch das Interesse am Einsatz von Hyaluronsäure in der Parodontologie mit dem Ziel die parodontale Entzündung zu reduzieren und die Wundheilung zu verbessern. Das Potenzial von Hyaluronsäure tatsächlich parodontale Regeneration zu fördern, wurde auch in einer präklinischen Studie histologisch bestätigt (Shirakata et al. 2021).
Zahlreiche Produkte in unterschiedlicher Darreichungsform – beispielsweise als Gel, Spray oder Mundspüllösung – und mit unterschiedlichen Hyaluronsäureeigenschaften (Konzentration, Molekulargewicht, Quervernetzung, etc.) befinden sich auf dem Markt. Diese Produkte sind entweder zur subgingivalen Applikation in der Praxis gedacht (Abbildung 1) oder zur häuslichen Anwendung durch den/die Patient:in (Abbildung 2).
Zu beachten ist hierbei, dass der Einsatz von Hyaluronsäureprodukten immer als adjuvante Therapie und nicht als Monotherapie angesehen werden sollte. Das heißt, dass diese Produkte bei der nicht-chirurgischen Therapie einer Parodontitis immer in Kombination mit einem Debridement verwendet werden sollten (Abbildung 1).
Was ist die wissenschaftliche Evidenz zu Hyaluronsäure als Adjuvans in der nicht-chirurgischen Parodontaltherapie?
Entsprechend den S3 Leitlinien zur Behandlung einer Parodontitis Stadium I bis III, teilt sich die Parodontaltherapie in ein Stufenschema (Stufe 1 bis 4) (Sanz et al. 2020). Die Stufe 1 beinhaltet hierbei die Reduktion von Risikofaktoren, das supragingivale Debridement und die Optimierung der Mundhygiene. In Stufe 2 folgt das eigentliche subgingivale Debridement.
Sollte die Therapie in Stufe 2 nicht ausreichend sein, um die Endpunkte der parodontalen Therapie zu erreichen (das heißt keine Sondierungstiefe > 5 mm und keine Sondierungstiefe von 5 mm mit Blutung nach Sondieren), folgt in Stufe 3 entweder ein erneutes subgingivales Debridement mit/ohne den Einsatz von Adjuvantien oder eine chirurgische Parodontaltherapie. Daran schließt sich die Stufe 4, die unterstützende Parodontaltherapie, an.
Der Einsatz eines Adjuvans, wie eben beispielsweise Hyaluronsäureprodukte, kann als Zusatz zu einem nicht-chirurgischen Debridement zu unterschiedlichen Zeitpunkten in diesem Stufenschema erwogen werden. Adjuvantien können sowohl gleich zu Beginn in Stufe 2 (subgingivales Debridement), also auch in Stufe 3 beziehungsweise Stufe 4 im Rahmen der Re-Instrumentierung bei entweder bestehenden Restsondierungstiefen oder bei Rezidiven eingesetzt werden (Abbildung 3).
Hyaluronsäureprodukte wurden jedoch im Rahmen der Erstellung der S3 Leitlinien noch nicht berücksichtigt. Mittlerweile liegen aber sowohl mehrere randomisierte, kontrollierte klinische Studien als auch Übersichtsarbeiten vor (Bertl et al. 2015; Eliezer et al. 2019). Die vorhandenen Übersichtsarbeiten zeigen alle einen positiven Trend, jedoch ist eine exakte statistische Auswertung aufgrund der unterschiedlichen Hyaluronsäureprodukte und Applikationsformen oft schwierig. Im Schnitt verbesserte sich aber beispielsweise die Blutung nach Sondieren zusätzlich um 2 bis 20% und die Sondierungstiefe reduzierte sich um zusätzliche 0,2 bis 0,9 mm (Bertl et al. 2015). Dieser positive Trend wird auch durch aktuelle randomisierte, kontrollierte klinische Studien sowohl bei einem Einsatz in Stufe 2 (Ramanauskaite et al. 2023) als auch in Stufe 4 (Bertl et al. 2024) der Parodontaltherapie bestätigt.
Sechs Monate nach Durchführung der Stufe 2 führte ein Debridement mit Applikation eines quervernetzten Hyaluronsäuregels in Kombination mit einem Natriumhypochlorit-Reinigungsgel zur optimierten Biofilmentfernung im Vergleich zu einem alleinigen Debridement zu einer zusätzlichen Reduktion der durchschnittlichen Sondierungstiefe von 1,1 mm. Darüber hinaus erhöhte sich der Anteil an Sondierungstiefen < 4 mm signifikant; dieser lag in der Test- beziehungsweise Kontrollgruppe bei 92,2 beziehungsweise 76,4% (Ramanauskaite et al. 2023). In ähnlicher Weise zeigten sich auch positive Effekte in Stufe 4 bei verbliebenen oder erneut aufgetretenen erhöhten Sondierungstiefen. Obwohl statistisch nicht signifikant zeigte sich nach subgingivaler Applikation eines nicht quervernetzten Hyaluronsäuregels in der Praxis und 3-monatiger, täglicher Applikation desgleichen Hyaluronsäuregels durch die Patient:innen mittels Interdentalraumbürste ein deutlicher Trend für einen positiven Effekt.
Die Anzahl an Sondierungstiefen < 5 mm lag 12 Monate nach Re-Instrumentierung und anschließender Hyaluronsäuregelapplikation bei 71,2% während dies in der Kontrollgruppe (Re-Instrumentierung und Placeboapplikation) bei nur 52,4% lag (Bertl et al. 2024). Ein direkter Vergleich der unterschiedlichen Hyaluronsäureprodukte und der unterschiedlichen Applikationsformen fehlt jedoch noch in der Literatur.
Schlussfolgerung
Hyaluronsäure, ein natürlicher Bestandteil des menschlichen Körpers, wird in der Zahnmedizin vermehrt eingesetzt und zeigt vor allem in der Parodontologie sehr gute Erfolge. Im Rahmen der nicht-chirurgischen Parodontaltherapie sind viele unterschiedliche Produkte am Markt (unterschiedliche Konzentrationen, Quervernetzung, unterschiedliches Molekulargewicht, etc.), die auf unterschiedliche Art und Weise entweder subgingival in der Praxis und/oder supragingival im Rahmen der häuslichen Mundhygiene durch die Patient:innen appliziert werden können.
Die wissenschaftliche Datenlage für Hyaluronsäureprodukte ist im Allgemeinen sehr vielversprechend, aber ein direkter Vergleich der unterschiedlichen Produkte und Applikationsformen fehlt noch.
Priv. Doz. Dr. Kristina Bertl
PhD, MBA, MSc, EFP Delegierte der ÖGP. Abteilung für Parodontologie, Zahn- klinik der Sigmund Freud Privat- Universität Wien, Österreich.
Abteilung für Parodontologie, Krankenhaus Blekinge, Karlskrona, Schweden.
Prof. Andreas Stavropoulos
Abteilung für Parodontologie, Krankenhaus Blekinge, Karlskrona, Schweden.
Parodontologie, Universität Malmö, Schweden.
Division für Zahnheilkunde und Parodontologie, Universitätszahnklinik, Medizinische Universität Wien, Österreich.
Korrespondenzadresse
Kristina Bertl
Abteilung für Parodontologie, Zahnklinik der Sigmund Freud PrivatUniversität Wien, Freudplatz 3, 1020 Wien, Österreich
kristina.bertl@med.sfu.ac.at
Literatur Bertl K, Bruckmann C, Isberg PE, Klinge B, Gotfredsen K, Stavropoulos A. (2015) Hyaluronan in non-surgical and surgical periodontal therapy: a systematic review. J Clin Periodontol 42:236–246. Bertl K, Vlachou S, Pandis N, Zampelis A, Stavropoulos A. (2024) Repeated local delivery of hyaluronic acid gel as adjunctive treatment of residual pockets in periodontitis patients undergoing supportive periodontal care. A randomized controlled clinical trial. Clin Oral Investig 28:158. Bhati A, Fageeh H, Ibraheem W, Fageeh H, Chopra H, Panda S. (2022) Role of hyaluronic acid in periodontal therapy (Review). Biomed Rep 17:91. Eliezer M, Imber JC, Sculean A, Pandis N, Teich S. (2019) Hyaluronic acid as adjunctive to non-surgical and surgical periodontal therapy: a systematic review and meta-analysis. Clin Oral Investig 23:3423–3435. Mani A, Pawar B, Pendyala G, Mustilwar R, Bhosale A, Bhadange S. (2016) Hyaluronic Acid - A Boom To Periodontal Therapy. Pravara Med Rev 8:8–13. Ramanauskaite E, Machiulskiene V, Shirakata Y, Dvyliene UM, Nedzelskiene I, Sculean A. (2023) Clinical evaluation of sodium hypochlorite/amino acids and cross-linked hyaluronic acid adjunctive to non-surgical periodontal treatment: a randomized controlled clinical trial. Clin Oral Investig Sanz M, Herrera D, Kebschull M, Chapple I, Jepsen S, Beglundh T, Sculean A, Tonetti MS, EFP WPAMC. (2020) Treatment of stage I-III periodontitis-The EFP S3 level clinical practice guideline. J Clin Periodontol 47 Suppl 22:4–60. Shirakata Y, Imafuji T, Nakamura T, Kawakami Y, Shinohara Y, Noguchi K, Pilloni A, Sculean A. (2021) Periodontal wound healing/regeneration of two-wall intrabony defects following reconstructive surgery with cross-linked hyaluronic acid-gel with or without a collagen matrix: a preclinical study in dogs. Quintessence Int 52:308–316. Stern R. (2004) Hyaluronan catabolism: a new metabolic pathway. Eur J Cell Biol 83:317–325. Sutherland IW. (1998) Novel and established applications of microbial polysaccharides. Trends Biotechnol 16:41–46. Sze JH, Brownlie JC, Love CA. (2016) Biotechnological production of hyaluronic acid: a mini review. 3 Biotech 6:67.
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