Themen

Wissenswertes für Prophylaxe-AssistentInnen erwartet Sie im Bereich Prophy-Themen.
Filtern Sie nach der gewünschten Kategorie, geben Sie Ihren individuellen Suchbegriff
ein und finden Sie so alle Artikel zum gewünschten Thema.

Hochkonzentriertes

By: | Tags: , , , , , , | Comments: 0 | März 9th, 2007

Kariesprophylaxe mit Fluoridgelen.

Von der systemischen Wirkung bis zur lokalen Fluoridierung: Die Applikation von Fluoriden umfasst ein breites Spektrum an Möglichkeiten.


Ein umfassendes (Karies-) Prophylaxekonzept besteht im Wesentlichen aus vier Säulen: Ernährungslenkung, Plaqueentfernung, der Applikation von Fluoriden und ergänzend kommt der regelmäßige Besuch beim Zahnarzt hinzu. Theoretisch würde jede dieser Säulen eine eigene, ausführliche Betrachtung rechtfertigen. Aufgrund ihrer Bedeutung in der Kariesprophylaxe aber sollen einmal mehr die Fluoride beleuchtet werden. „Applikation von Fluoriden“ umfasst ein recht weites Spektrum an Möglichkeiten, von der systemischen (Wirkung „von innen“, z.B. durch fluoridiertes Kochsalz) bis hin zur lokalen Fluoridierung mit Zahnpasten. Eine in einer Vielzahl von Studien nachgewiesene, wirksame kariespräventive Maßnahme ist die Applikation hochkonzentrierter Fluoridgele. Sie kann unabhängig von anderen lokalen Fluoridierungsmaßnahmen durchgeführt werden. Voraussetzung ist, dass das Gel nicht verschluckt wird, weshalb Kinder erst ab einem Alter von 6 Jahren mit Gelen behandelt werden sollten. Die Art und Weise der Applikation (einbürsten oder mittels Tiefziehschiene) hat keinen Einfluss auf die Wirksamkeit, aber sehr wohl auf Compliance und Motivation des Patienten und sollte daher individuell gewählt werden.

Gel ist nicht gleich Gel

Ein Fluoridgel zur intensiven Kariesprophylaxe charakterisiert sich nicht alleine durch eine gelartige Konsistenz. Einige Hersteller bieten Zahnpasten auf Gelbasis an (z.B. Theramed, Mentadent), die mit konzentrierten Fluoridpräparaten nicht zu vergleichen sind. Sie wirken als Zahnpasten unterstützend bei mechanischer Plaqueentfernung und als Träger von Wirkstoffen, z.B. zur täglichen Fluoridierung. Hinter der Transparenz verbirgt sich ein geschicktes Formulieren der Inhaltsstoffe, was das gewünschte Aussehen bei gleicher Reinigungsleistung und Qualität bringt. Der Blick auf die Liste der Inhaltsstoffe verdeutlicht, wodurch sich Fluoridgele von Gelzahnpasten unterscheiden. Neben der hohen Wirkstoffkonzentration ist das Fehlen von Putzkörpern (Abrasivstoffen) der auffälligste Unterschied. Eine vergleichbare Reinigungsleistung ist daher von Fluoridgelen nicht zu erwarten. Sie sollen auch keine Alternative zu Zahnpasten darstellen, sondern ergänzend im Rahmen einer Intensivprophylaxe z.B. einmal wöchentlich angewendet werden.

Fluoridkonzentration

Unsicherheit herrscht leider oft, wenn es um die Frage der Fluoridkonzentration geht. Die EU-Kosmetikverordnung regelt ganz klar: Präparate mit einer Fluoridkonzentration von über 1.500ppm (entspricht 0,15%) Fluorid gelten als Arzneimittel. Sie dürfen nur in der Apotheke verkauft werden. Enthalten die Produkte weniger als 1.500ppm spricht man von Kosmetikprodukten. Was genau aber bedeutet „Fluoridkonzentration“? Wo liegt der Unterschied zwischen „0,5% Fluorid aus Natriumfluorid“ und „0,5% Natriumfluorid“? Achtung! Der Unterschied beträgt beinahe 100%: Ein Gel mit 0,5% Fluorid aus Natriumfluorid enthält etwa 5.000ppm Fluorid, das Gel mit 0,5% Natriumfluorid lediglich 2.500ppm. Dies erklärt sich aus dem Natriumfluoridmolekül, welches aus einem Natrium- und einem Fluoridion besteht. „0,5% Fluorid aus Natriumfluorid“ bezieht sich ausschließlich auf das Fluoridion. Es sind also tatsächlich 0,5% oder 5.000ppm Fluorid enthalten. „0,5% Natriumfluorid“ bezeichnet das Gesamtmolekül, es liegen daher 5.000ppm Natriumfluorid vor. Da aber nur etwa die Hälfte des Moleküls aus Fluorid besteht, steht nach Applikation auch nur etwa halb soviel Fluorid zur Verfügung, nämlich 2.500ppm. Das nächste Beispiel verdeutlicht noch eindrucksvoller, dass die Kenntnis um die chemische Struktur der Fluoride notwendig ist, um richtige Aussagen treffen zu können: „Ist ein Zinnfluorid-Gel mit 0,4% Zinnfluorid (SnF2) als Arzneimittel oder als Kosmetikum einzustufen?“

Nur ca. ein Viertel des Molekulargewichtes beim Zinnfluorid entfällt auf das Fluorid. Das 0,4%ige Zinnfluoridgel enthält also nur 0,1% – 1.000ppm – Fluorid. Nun wird klar, dass es sich um ein kosmetisches Präparat handelt. Auch wenn es weniger Fluorid enthält als die meisten Standard-Erwachsenenzahnpasten sollte eines im Auge behalten werden: Welchen Zweck soll das Präparat erfüllen, für welche Indikation wird das Produkt hergestellt? Die vorangegangenen Überlegungen sollen dazu anregen, Angaben auf Tuben und Verpackungen kritisch zu hinterfragen. Sollte der potenzielle Patient mit initialen Kariesläsionen besser ein Gel mit 1,25% Natriumfluorid oder eines mit 1,25% Fluorid aus Natriumfluorid benutzen?

Wirkmechanismus

Dass Fluoridgele Wirkung zeigen, ist unumstritten und wurde bereits in einer Metaanalyse bestätigt. Bleibt die Frage, warum sie es tun. Obige Betrachtungsweise ist sicherlich vereinfacht, da die Fluoridkonzentration nicht alleine ausschlaggebend für die Wirksamkeit eines Produktes ist. Der enthaltene Fluoridtyp (z.B. Aminfluorid, Natriumfluorid) und der pH-Wert der Formulierung, sowie die Formulierung selbst, spielen eine mindestens eben so große Rolle und dürfen keinesfalls unterschätzt werden. Wichtig für den Kariesschutz ist neben der permanenten Verfügbarkeit freier Fluoridionen an der Zahnoberfläche eine schützende Schicht aus Kalziumfluorid. Je hochwertiger und homogener diese ist, desto wirksamer wird der Zahn vor Säureangriffen geschützt. Kalziumfluoriddeckschichten sind nicht nur mechanische Barrieren, sondern dienen als Fluorid-Depots. Bei Säureangriffen werden sie aufgelöst und Fluoridionen freigesetzt. Die Anwesenheit von Fluoridionen verbessert die Remineralisation, indem Phosphat und Kalzium vermehrt aus dem Speichel wieder in den demineralisierten Zahnschmelz eingelagert wird. Vor allem Aminfluoride fördern die Kalziumfluoridbildung und Remineralisation, da sie neben einem leicht sauren pH-Wert über eine hohe Substantivität verfügen, also lange an den Schmelzoberflächen verweilen.

Hochkonzentrierte Fluoridgele – für wen?

Nicht jedes Fluoridgel ist gleich und nicht jedes Fluoridgel ist für dieselbe Indikation und Zielgruppe. Die indikations- und patientenbezogene Auswahl ist überaus wichtig. Allgemein kann davon ausgegangen werden, dass die wöchentliche Anwendung von hochkonzentrierten Natrium- und Aminfluoridgelen für Patienten mit erhöhtem Kariesrisiko oder gar initialen Kariesläsionen (Kinder, Jugendliche, Patienten mit Zahnspangen) eine sinnvolle Ergänzung zur täglichen Fluorid-Basisprophylaxe darstellt. Untersuchungen haben bestätigt, dass 1,25%ige Fluoridgele tatsächlich wirksamer sind als niedrig konzentrierte Gele mit z.B. 0,4% Fluorid. Da insbesondere Aminfluoridgele sehr homogene Kalziumfluorid-Deckschichten erzeugen, eignen sie sich außerdem zur unterstützenden Behandlung überempfindlicher Zähne. 0,4%ige zinnfluorid-haltige Gele haben sich bei täglicher Anwendung auch in der Behandlung überempfindlicher Zähne bestätigt. Hinsichtlich ihres Kariesschutzes lässt sich bisher allerdings keine Aussage treffen. Die meisten Untersuchungen wurden bei speziellen Patientengruppen (z.B. Radiotherapiepatienten) durchgeführt mit dem Ziel, die Wirkung zur Hemmung von Wurzelkaries zu untersuchen.

Fazit

Zusammenfassend sind Fluoridgele von Gelzahnpasten zu unterscheiden. Innerhalb der Fluoridgele muss man hochkonzentrierte (in der Regel Arzneimittel) von niedrig konzentrierten (Kosmetika) unterscheiden, wobei Fluoridtyp, pH-Wert und Formulierung die Wirkung und Indikation des Produkts beeinflussen. Eine hochkonzentrierte Fluoridgelapplikation einmal pro Woche in Ergänzung zur täglichen Zahnpflege mit Fluoridzahnpasten führt zu einer messbaren Hemmung des Karieszuwachses.

 

Autor:
Dr. Daniel Bachteler
MedWiss Gaba International
Schweiz