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Halitosis update - Prophy

Halitosis – Mundgeruch: Wissenswertes über ein Tabuthema

By: | Tags: , , , , , , , | Comments: 0 | Oktober 22nd, 2019

Schlechter Atem ist kein Phänomen der Neuzeit – seit Jahrhunderten werden verschiedene Therapieformen bei Mundgeruch empfohlen. Was die Ursachen betrifft, so halten sich hartnäckig einige Mythen. Faktum ist, dass 90 % der Betroffenen durch eine adäquate Therapie von ihrem Leiden befreit werden können. Der folgende Artikel setzt sich mit den Ursachen von Halitosis sowie den Möglichkeiten der Diagnose und Therapie durch das zahnärztliche Team auseinander.

Ursachen

Bei den Ursachen für Mundgeruch wird zwischen transienter (temporärer) Halitosis, echter Halitosis (orale und extraorale Ursachen) und psychisch bedingter Halitosis (Pseudo Halitosis oder Halitophopbie) unterschieden. Im Fall von transienter Halitosis kann oft schon die Abstinenz der verursachenden Faktoren (Knoblauch, Zwiebeln) eine Besserung herbeiführen. Bei der echten Halitosis ist es wichtig zu unterscheiden, ob sie oralen oder extraoralen Ursprunges ist. Im ersten Fall verstoffwechseln meist gramnegative anaerobe Bakterien in der Mundhöhle und auf der Zunge Nahrungsreste und abgeschilferte Epithelzellen. Dabei entstehen als Abbauprodukte von Proteinen flüchtige Schwefelverbindungen (Volatile Sulphur Compounds). Diese Stoffwechselprodukte und weitere Metabolite (u.a. Putrescin, Cadaverin) sind für den unangenehmen Geruch aus der Mundhöhle verantwortlich. Ein begünstigender Kofaktor für Mundgeruch ist unter anderem auch zu wenig Speichel.

Zu den extraoralen Ursachen von Mundgeruch gehören Hals-, Nasen- und Ohrenerkrankungen (Sinusitis, Tonsillitis und Rhinitis). Zudem können Krankheiten wie Diabetes mellitus und Nierenversagen, sowie verschiedene Medikamente schlechten Atem verursachen. Besteht der Verdacht, dass einer dieser extraoralen Faktoren für den Mundgeruch verantwortlich ist, sollte man einen HNO-Spezialisten oder einen Internisten hinzuziehen. Der Magen ist normalerweise durch den Ösophagussphinkter sehr gut abgedichtet und kommt somit als Verursacher von Mundgeruch nur sehr selten in Frage (Ausnahmen bei Ösophagitis). Um Halitosis gezielt behandeln zu können, ist eine genaue Differenzierung der oben genannten Ursachen wichtig.

Entstehungsherd Mundhöhle

Die Zunge spielt bei den oralen Ursachen von Mundgeruch eine zentrale Rolle, da sie durch ihre raue Oberfläche (verschiedene Papillenarten) ein Eldorado für Bakterien darstellt.

Zwei Drittel der oralen Mikroorganismen leben auf der Zunge. Da sich besonders der dorsale Bereich der Zunge sehr schlecht selbst reinigt, können sich die Bakterien dort gut vermehren. Der Zungenbelag besteht aus Blut- und Speichelbestandteilen, Nahrungsresten, Zellen und Bakterien. Er kann relativ leicht mechanisch mit einem Zungenreiniger vom Patienten selbst entfernt werden. Bei pathologischem Zungenbelag können bestimmte Wirkstoffe, wie zum Beispiel Zinkverbindungen (Loesche et al. 2002), die geruchsbestimmenden flüchtigen Schwefelverbindungen besser neutralisieren.

Weitere orale Verursacher von Mundgeruch können eine Gingivitis oder eine Parodontitis sein. Dieser Zusammenhang zwischen einer schlechten Mundhygiene, Parodontalerkrankungen und Mundgeruch wurde bereits in vielen Untersuchungen nachgewiesen (Soder et al. 2000).

Möglichkeiten der Diagnose

Den eigenen Mundgeruch zu riechen ist fast unmöglich, da die Nase die eigenen unangenehmen Hintergrundgerüche aus dem Mundraum filtert und somit den eigenen Atem ignoriert. Um die Intensität des Mundgeruchs feststellen zu können, kann mit einem Wattestäbchen ein Abstrich der Zunge gemacht werden. Zur Objektivierung dieses Befundes wird am besten eine dritte Person – ein Freund oder Vertrauter – herangezogen.

Eine instrumentelle Möglichkeit, Mundgeruchsbefunde zu objektivieren, bieten Geräte zur Messung von flüchtigen Schwefelverbindungen, z. B. der Halimeter (Ansyco) oder HaliSens (Analytical Innovations). In den letzten Jahren wurde auch ein Gaschromatograph für die Zahnarztpraxis entwickelt – OralChroma (Novatronic). Ebenfalls ist ein einfaches Messgerät Fresh Kiss (Tanita) für die Patienten in Taschenformat erhältlich.

Die Vorteile der Geräte für die Zahnarztpraxis sind neben einer Objektivierung der Messung die relativ gute Reproduzierbarkeit der Messwerte. Dadurch wird der Behandlungserfolg für den Patienten nachvollziehbar. Dennoch ist in der Praxis das sicherste Diagnoseinstrument immer noch die Nase des Behandlers (organoleptische Untersuchung), da die Nase bis zu zehntausend unterschiedliche Geruchsnuancen wahrnehmen kann. Nachteile: Die Untersuchung ist nicht objektiv und nicht reproduzierbar.

Pseudo-Halitosis und Halitophobie

Viele Patienten bilden sich nur ein, Mundgeruch zu haben und deuten das Verhalten ihres Umfeldes in Zusammenhang mit diesem eingebildeten Mundgeruch. Bei diesem Phänomen unterscheidet man zwischen Pseudo-Halitosis und Halitophobie.

Bei der Pseudo-Halitosis kann dem Patienten oft durch eine Messung mit einem Mundgeruchmessgerät und einem aufklärenden Gespräch geholfen werden. Sollte der Betroffene trotzdem weiterhin von seinem schlechten Atem überzeugt sein, kann ihm empfohlen werden, eine Vertrauensperson mitzubringen, die den Mundgeruch bestätigten soll. Glaubt der Patient trotz gegenteiliger Bestätigung weiterhin fest an seinen Mundgeruch, spricht man von einer Halitophobie. In einem solchen Fall sind die Therapiemöglichkeiten durch das zahnärztliche Team erschöpft. Ein therapeutisches Gespräch mit einem Psychologen könnte empfohlen werden.

Therapie

Mundwasser, Kaugummi, Drops oder Ähnliches – viele Menschen geben riesige Summen aus, um das Problem Mundgeruch mit verschiedenen Produkten in den Griff zu bekommen. Diese schaffen jedoch meist nur kurzfristig Erleichterung.

Die Therapie sollte sich nach den Ursachen des Mundgeruches richten. Liegen diese im Zungenbereich, ist eine Zungendesinfektion mit einem adäquaten Zungenreiniger und einem 1% Chlorhexidingel oder einer 0,12% Chlorhexidinspülung über einen Zeitraum von einer Woche empfehlenswert.

Wurde eine Gingivitis oder eine Parodontitis diagnostiziert, sollte eine professionelle Zahnreinigung oder eine Parodontaltherapie durchgeführt werden. Hierbei empfiehlt es sich, die komplette Taschenreinigung innerhalb von 24 Stunden durchzuführen und dabei gleichzeitig die Taschen, die Zunge und die Mandeln mit Chlorhexidin zu desinfizieren. Der Erfolg der Behandlung sollte dem Patienten bei einem weiteren Besuch nach 2-6 Wochen durch eine erneute Messung (organoleptisch oder instrumentell) bestätigt werden.

Voraussetzung für einen Langzeiterfolg im Kampf gegen Mundgeruch ist eine regelmäßige Zungenreinigung und eine perfekte häusliche Mundhygiene des Patienten. Das zahnärztliche Team kann den Patienten dabei durch regelmäßig durchgeführte professionelle Zahn- und Zungenreinigung, die auch in der zahnärztlichen Praxis durchgeführt werden kann, unterstützen. Ebenfalls sollte regelmäßig bestätigt werden, dass zum Zeitpunkt des Praxisbesuchs kein Mundgeruch nachweisbar ist.

Um Personen, die an Halitosis leiden, dauerhaft helfen zu können, ist es Zeit, das Thema Mundgeruch durch gezielte Aufklärung in der Zahnarztpraxis zu enttabuisieren. Viele Patienten sind sehr dankbar, endlich eine Ansprechperson für ihr oft jahrelanges Leiden gefunden zu haben. Die Ergebnisse der Ursachenforschung im Entstehungsherd Mundhöhle ermöglichen es uns, gezielte Therapieschritte in der zahnärztlichen Praxis einzuleiten.

Halitosis update - Prophy
petra_natter (c) Santina, Bregenz

Autorin: Petra Natter, BA

Dentalhygienikerin in verschiedenen Zahnarztpraxen mit Schwerpunkt Parodontologie und Mundgeruch, Referentin und Praxiscoach zu allen Themen der Zahnprophylaxe

www.paroprophylaxe.at

Foto: Santina, Bregenz

Zungenbelag vor der Zungenreinigung mit TS1 in der Praxis

Foto: (c) Natter

Nach der Zungenreinigung mit dem Zungenreiniger TS1 und einem Gel

Foto: (c) Natter

Das Angebot an Mundspüllösungen und Zungenpasten für den Langzeiterfolg der Therapie ist riesig. In der Tabelle sind die momentan gängigsten Produkte aufgelistet. Jedoch sollten nach wie vor eine gezielte Untersuchung und die dementsprechend eingeleiteten Therapien im Vordergrund stehen. © Petra Natter.