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Früherkennung von Krebs in der Mundhöhle

By: | Tags: , , , , , , , , , , , , , , | Comments: 0 | Juni 10th, 2007

Eine wichtige Aufgabe für das zahnärztliche Team.


Ein Krebs der Mundhöhle geht zumeist von der Schleimhaut (dem sogenannten Plattenepithel) aus. Begünstigt wird die Krebsentstehung sowohl durch genetische Ursachen als auch durch Lebensumstände. Natürlich können im Einzelfall auch beide Entstehungsweisen zusammen treffen. Man ist heute der Ansicht, dass die Krebsentstehung im Mund kein plötzliches Ereignis darstellt, sondern dass sich der Krebs allmählich über Vorstufen entwickelt. Ist der Krebs einmal in die Umgebung eingedrungen, so kann die Wachstumsgeschwindigkeit aber deutlich zunehmen und verhältnismäßig rasch eine Absiedlung in die Lymphknoten des Halses (= Metastasierung) stattfinden.

Die Früherkennung von Krebs-Vorstufen

Eine gut sichtbare Vorstufe (= „Präkanzerose“) ist die Leukoplakie (griech. für „weißer Fleck“). Als Leukoplakie bezeichnet man einen weißen Schleimhautbezirk, der nicht abwischbar ist (Abb. 1). Die weiße Farbe kommt durch eine übermäßige Verhornung der sonst durchsichtigen Schleimhaut zustande. Sollten Zweifel an der Farbe oder Beschaffenheit dieses Schleimhautbereiches bestehen, so erleichtert ein Vergleich mit der gegenüberliegenden Seite die klinische Diagnose. Wenn eine Leukoplakie im Mund gefunden wird, soll zuerst nach einer möglichen Ursache gesucht werden. Mechanische Irritationen (scheuernde Zahnfüllungen oder Prothesen, unsachgemäße Putzgewohnheiten) müssen korrigiert werden. Rauchen kann gleichfalls eine Leukoplakie hervorrufen, ebenso gewisse Viren (z.B. Human Papilloma Virus, HPV). Verwechslungen mit Entzündungen der Schleimhaut (z.B. Lichen planus) kommen gelegentlich vor. Sind mögliche Ursachen beseitigt, so kann sich die Leukoplakie verkleinern oder sogar ganz verschwinden. Eine Kontrolle ca. 2 bis 3 Wochen nach Ausschaltung der vermuteten Ursache ist also unbedingt erforderlich. Besteht die Leukoplakie unverändert noch nach 6 Wochen, sollte eine Biopsie vorgenommen werden. Diese Biopsie soll am Rand der Leukoplakie erfolgen, und sowohl gesunde Umgebung als auch Anteile der Leukoplakie erfassen. Üblicherweise wird diese Gewebsentnahme in örtlicher Betäubung durchgeführt. Wenn eine gleichmäßige („homogene“) Leukoplakie vorliegt, so kann die Gewebsentnahme fast überall erfolgen. Handelt es sich aber um eine unregelmäßige („inhomogene“) Leukoplakie mit weißen und rötlichen Bereichen (Abb. 2), so soll die Gewebsentnahme an der verdächtigsten Stelle durchgeführt werden; dies ist zumeist ein Übergang von Weiß nach Rot.

Je nach dem feingeweblichen (mikroskopischen) Aufbau kann eine Leukoplakie ein geringes, ein mittleres oder ein hohes Risiko für eine Krebsentstehung besitzen. Darüber gibt der histologische Befund Aufschluss, in dem der Grad der Zellveränderungen („Atypie“) und die krankhaft veränderte Schichtung der Schleimhaut („Dysplasie“) angegeben wird. Eher selten entwickelt sich unter einer Leukoplakie bereits ein Krebs. Langzeitstudien haben ergeben, dass nur aus ca. 2 – 15% aller Leukoplakien im Laufe von Jahren ein Krebs entsteht. Abgesehen von der Biopsie gibt es auch noch andere Arten der Früherkennung (z.B. die  sogenannte „Bürstenbiopsie“, die Vitalfärbung mit Toluidinblau oder Fluoreszenzfarbstoffen, PET-Untersuchung). Leider sind die letzteren nicht zu 100% sicher und sollten daher nur in spezialisierten Zentren angewendet werden.
Ein unklarer Befund, der schließlich doch eine Probeexzision erfordert, verzögert den Beginn der wirksamen Behandlung. Eine Leukoplakie ohne oder mit nur geringer Dysplasie muss weiterhin kontrolliert werden, ob sie sich im Laufe der Zeit verändert. Es empfiehlt sich, diesen Befund (Lokalisation und Größe) in der Kartei zu dokumentieren; am einfachsten ist es natürlich, ein Foto anzufertigen. Eine flächenmäßige Vergrößerung, das Auftreten von Schmerzen, plötzliche rötliche „Verdickungen“ oder offene Stellen sind unter Umständen erste Hinweise auf eine Krebsentstehung. In jedem Fall einer Leukoplakie sind auch die Halslymphknoten auf eventuelle Vergrößerungen oder Schmerzen zu untersuchen.

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Wer ist besonders gefährdet?

Es gibt Patienten, die ein deutlich höheres Risiko als die Durchschnittsbevölkerung für die Entstehung eines Mundhöhlenkarzinoms besitzen: dies sind Personen (meist über 45 Jahre alt), die ihre Mundhygiene stark vernachlässigen, die regelmäßig rauchen und Alkohol zu sich nehmen, bei denen bereits früher ein Krebs in den Atemwegen oder der Speiseröhre behandelt wurde, die Verwandte mit einem Mundhöhlenkrebs haben oder hatten oder bei denen eine Abwehrschwäche (z.B. Cortisonbehandlung, Leukämie, Organtransplantation, Chemotherapie) besteht. Gelegentlich kann eine nicht heilende Extraktionswunde das erste Symptom für den Mundhöhlenkrebs sein. Es ist daher wichtig, bei allen Patienten eine möglichst genaue Anamnese zu erheben, um die Gewohnheiten und Lebensumstände zu erfahren. Bei diesen Hochrisikopatienten soll die Mundhöhle besonders genau nach Hinweisen auf Krebs untersucht werden. Wichtig ist, dass ein Krebs oft erst in fortgeschrittenem Stadium Schmerzen verursacht. Eine Leukoplakie wird vom Patienten meist nur als harmlose Rauigkeit wahrgenommen, weil sie sonst keine Beschwerden hervorruft. Erfahrungsgemäß sind gerade  Hochrisikopatienten schwierig für regelmäßige zahnärztliche Kontrollen zu gewinnen. Umso eindringlicher sollte daher ein solcher Patient über die Gefahren einer Krebsentstehung aufgeklärt werden. Die Dokumentation der Befunde in der Patientenkartei ist hier von größter Bedeutung.

Das Vorgehen im zahnärztlichen Team

Vor allem bei der Parodontalbehandlung werden Schleimhautveränderungen entdeckt. In den braunen Zahnverfärbungen und in Zahnsteinablagerungen von Rauchern sind immer auch jene Teerstoffe enthalten, die krebserregende Substanzen enthalten und somit Tag und Nacht auf die umgebende Schleimhaut einwirken. Eine gründliche Parodontalbehandlung dient nicht nur der Früherkennung von Krebsvorstufen, sondern auch der Prophylaxe des Mundhöhlenkrebses. Die Prophylaxeassistentin hat also eine große Verantwortung. Sie soll den Zahnarzt sofort über unerklärliche Veränderungen in der Umgebung von verfärbten Zähnen, Brücken, Implantaten oder über  Prothesendruckstellen informieren. Beim geringsten Verdacht, dass es sich um eine risikoreiche Veränderung (mittlere oder hochgradige Dysplasie) handelt, soll der Patient an eine Klinik oder an einen Kieferchirurgen überwiesen werden. Dort wird von Fachleuten gezielt weiter vorgegangen. Entscheidend kann es auch sein, den Patienten auf die Gefahr hinzuweisen, in der er sich befindet, und ihm eine Hilfestellung anzubieten (z.B. Raucherentwöhnung, Kontakt mit dem Hausarzt, Selbsthilfegruppe) bzw. ihm die Notwendigkeit häufiger Kontrollen eindringlich zu erklären. Es ist wichtig, auch diese  Ratschläge in der Kartei des Patienten zu vermerken. Sollte der Patient zu den vereinbarten Terminen nicht erscheinen, so empfiehlt es sich, den Patienten direkt anzurufen oder seinen Hausarzt zu kontaktieren.
Wird ein Krebs im Mund frühzeitig entdeckt, so kann schon ein kleiner operativer Eingriff die Heilung bewirken. Die Chance, auch in Zukunft krebsfrei zu bleiben, ist also sehr hoch. Ist ein Krebs aber schon weiter fortgeschritten, so ist meist eine große Operation, oft in Verbindung mit einer Bestrahlung und einer Chemotherapie, erforderlich. Sind auch Halslymphknoten befallen (Metastasen), so sinkt die Lebenserwartung deutlich. Jeder ehemalige Krebspatient muss durch viele Jahre weiter kontrolliert werden, am besten durch jene Ärzte, die auch den Krebs behandelt haben. Das zahnärztliche Team hat ausgezeichnete Möglichkeiten, durch die Früherkennung eines Mundhöhlenkrebses die Prognose dieser schweren Erkrankung wesentlich zu verbessern. In dieser Hinsicht sind häufige Fortbildungen äußerst wichtig.

Der Hochrisikopatient

  • Männer über 45 Jahre
  • Vernachlässigte Mundhygiene
  • Rauchen und Alkoholgewohnheit
  • Früher schon Krebs in den Atem- oder Verdauungswegen
  • Blutsverwandte mit Mundhöhlenkrebs
  • Verminderte Abwehrlage (Immunschwäche)

Hier ganz besonders zu beachten: Anamnese, Befunderhebung und regelmäßige Kontrollen!

 

Autor:
Univ. Doz. Dr. Johann Beck-Mannagetta
Universitätsklinik für Mund-, Kiefer- und
Gesichtschirurgie
Paracelsus Medizinische Privatuniversität Salzburg

 

Titelbild: Abb. 1: Homogene Leukoplakie Mundboden / Abb. 2: Inhomogene (gefleckte) Leukoplakie Zunge