Die motivierende Prophylaxesitzung
Prophylaxe-Assistentin und Patient auf Augenhöhe
Durch eine individuell abgestimmte Motivationsstrategie kann die Prophylaxe-Assistentin sich und ihrem Patienten den Langzeiterfolg der Prophylaxemaßnahmen sicherstellen. Sprich, werden die richtigen Kommunikationsinstrumente eingesetzt, wird der Patient – wenn auch nicht alle – Optimierungsvorschläge in der häuslichen Mundhygiene wie auch Empfehlungen (Ernährung, Raucherentwöhnung) mit nach Hause nehmen und auch Veränderungen in seiner Lebensweise umsetzen.
Individuelle Motivation gewinnt
In der täglichen Begleitung der Patienten ist der Prozentsatz jener Patienten, die unsere Empfehlungen erfolgreich umsetzen sehr niedrig, weshalb wir unsere Empfehlungen unendlich oft wiederholen müssen, um erfolgreich zu sein. Das Fazit aus diesen Erfahrungen: Unsere Herangehensweise sollte patientenabhängig individualisiert werden.
Meist wird aber von dem eigenen Hintergrundwissen ausgegangen und sehr leicht tendiert man dazu anzunehmen, dass unser Patient auf dem gleichen Wissensstand ist wie wir und er auch nach dem gleichen Muster Ratschläge annimmt, wie wir das tun würden. Und genau hier ist die Wurzel allen Übels begraben – hier muss unser eigener Umdenkprozess ansetzen.
Motivational Interviewing
Das MI – Motivational Interviewing – hierzulande die „motivierende Gesprächsführung“ genannt, wurde 1991 von William Miller und Stephen Rollnick eigentlich zur Beratung für Menschen mit Suchtproblematik entwickelt. MI richtet sich hauptsächlich an Menschen mit geringer bis ambivalenter Änderungsbereitschaft, wie sie uns im Prophylaxealltag sehr oft begegnen. Die Bereitschaft zur Änderung von Verhaltensmustern im Bereich häuslicher Mundhygiene, Ernährung, Raucherentwöhnung oder Stressreduktion ist bei diesen Menschen sehr gering ausgeprägt. Aus eigener Erfahrung wissen wir, wie schwer es uns oftmals selbst fällt, etwas an uns zu ändern – obwohl wir wissen, wie gut es für uns wäre.
MI basiert auf aktivem Zuhören, Wertschätzung und Akzeptanz. Nur Wissen alleine reicht nicht aus, um eine Verhaltensänderung auszulösen. Veränderung und Motivation kann dem Patienten nicht aufgezwungen werden – der „innere Patient“ muss gelockt werden. Das gemeinsame Erforschen und Herausarbeiten der persönlichen Gründe, warum der Patient unsere Empfehlungen ablehnt, steht dabei an erster Stelle. So beziehen wir den Patienten in die Selbstverantwortung und Selbstreflexion ein.
Eigenmotivation stärken
MI ist eine partnerschaftliche Haltung gegenüber dem Patienten – keine Technik. Es geht dabei darum, die Ambivalenz des Patienten zu akzeptieren und ihm behilflich zu sein, sich seiner Ambivalenz bewusst zu werden. Dabei wird versucht, dem Patienten einen Weg aufzuzeigen und selbst Argumente für eine Verhaltensänderung zu finden – der beste Weg der Motivation wird damit angeregt: die Eigenmotivation.
Es ist empfehlenswert, diese vier Prinzipien der MI mit in das Motivationsgespräch einzubeziehen.
Motivierende Gesprächsführung in der Praxis
Nach diesen vier Prinzipien der MI sollte ein idealtypischer Motivationsprozess im Rahmen einer Prophylaxesitzung ablaufen:
1. Empathie zählt. Die Prophylaxe-Assistentin sollte dem Patienten mit Empathie hinsichtlich der momentanen Situation, in der sich der Patient befindet, begegnen und ihm kommunizieren, dass sie die Perspektive des Patienten versteht und respektiert. So wird ihm das Gefühl vermittelt, dass er mit seinen Gedanken und Bedenken verstanden wird.
2. Respekt gewinnt. Die Prophylaxe-Assistentin sollte vermeiden, dem Patienten die eigene Meinung und die eigenen Argumente aufzuzwingen. Das führt mit großer Wahrscheinlichkeit zu einem Abwehrverhalten – er wird unweigerlich nach Gegenargumenten suchen und Widerstand leisten. D. h.: Respektieren Sie die Autonomie Ihres Patienten.
3. Flexibilität ist wichtig. Die Prophylaxe-Assistentin sollte flexibel sein im Umgang mit Widerstand sein. Tappen Sie nicht in die Falle, indem Sie auf Gegenargumente Ihres Patienten wiederum mit Ihren eigenen Argumenten reagieren. Sein Widerstand wird sich dadurch noch mehr verfestigen. Akzeptieren Sie seine Meinung und versuchen Sie ihn stärker in die Therapie einzubinden. So vermeiden Sie unnötige und unproduktive Streitgespräche.
4. Glauben bringt’s. Die Prophylaxe-Assistentin sollte das Selbstvertrauen des Patienten stärken. Stärken Sie seinen eigenen Glauben an die Fähigkeit sich zu ändern. Denn glaubt der Patient nicht, dass er sich ändern kann, ist es trotz hoher Motivation unwahrscheinlich, dass es sich ändern wird. Geben Sie dem Patienten das Gefühl, dass Sie an ihn und seine Fähigkeiten, sich zu ändern, glauben und erinnern Sie ihn an seine bisher erreichten Ziele.
Mit Kommunikation zur Motivation
Jeder hat für den „daily talk“ unterschiedliche Kommunikationsformen parat, die man sich bewusst oder auch unbewusst angeeignet hat und einsetzt. In der Kommunikation mit einem Parodontalpatienten scheint es jedoch ratsam, sich an deren individuellen Verhaltensbedürfnissen und Eigenarten anzupassen.
Rollnick et al. haben ein „3-Stile-Modell“ für Menschen im Gesundheitswesen entwickelt, wie man mit Patienten am besten kommuniziert. Dabei wird ein direktiver, anleitender oder passiver Stil empfohlen (Rollnick et al. 2007):
Der direktive Stil. Er beinhaltet Expertenrat und Unterstützung und wird eingesetzt, wenn der Patient Informationsbedarf signalisiert, z. B. indem er fragt: „Was kann ich tun, damit sich mein Plaque-Index verbessert?“ Hier fordert der Patient eindeutig Ihren Rat ein.
Der passive Stil. Er setzt Ihre Zuhörerqualität voraus, wenn der Patient nach besonderer Sensibilität verlangt, z. B. wenn er traurig oder wütend ist. Hier geht es nicht darum, sein Problem zu lösen, sondern ihn zu unterstützen und zu ermutigen. Oder wenn der Patient sagt: „Ich habe gerade eine Scheidung hinter mir, was soll ich mich da noch um meine Zähne kümmern?“ In solchen Fällen sind Ihre Zuhörerqualität und Empathie gefragt.
Der anleitende Stil. Er ist vor allem für „Teamplayer“ gut geeignet. Hier arbeitet die Prophylaxe-Assistentin mit dem Patient gemeinsam daran, ihn zu unterstützen, den besten Weg zu finden, seine eigenen Ziele zu erreichen. Dieser Stil ist angebracht, wenn Patienten Verhaltensänderungen ambivalent gegenüberstehen und von sich aus darüber sprechen, z. B. wenn der Patient sagt: „Ich weiß, die vielen Süßigkeiten sind nicht gut für mich, aber das ist zur Zeit meine einzige Freude“. Hier ist der anleitende Stil gut geeignet, um gemeinsam mit dem Patienten dem Ziel näher zu kommen.
Motivation im Recall
Im Recall werden von der Prophylaxe-Assistentin meist sehr viele Fragen an den Patienten gestellt.
Oft fühlt sich der Patient dadurch bereits im Vorfeld unwohl, da er weiß, dass er von uns mit Fragen „bombardiert“ werden wird und auch weil er weiß, dass er diesen Test nicht bestehen wird. Umso mehr ist auch hier wieder eine Optimierung der Fragestellung vorteilhaft, um ein angenehmes Gesprächsklima zu gewährleisten.
Die OARS-Formel für die Kommunikation
„O“ „open-ended questions“ – Eine offene Fragestellung lädt zu Gedankenspielen ein und erhöht die Kooperationsbereitschaft. Des Weiteren wird der Patient motiviert, sich um eine Antwort zu bemühen. Beispiel: „Was denken Sie selbst darüber, dass Sie rauchen?“ Eine geschlossene Fragestellung hingegen wird immer mit „ja“ oder „nein“ beantwortet und bringt den Patienten meist in eine passive Rolle.
„A“ „affirmation“ – bestätigen Sie den Patienten, indem Sie seine eigenen Stärken anerkennen oder auch seine Selbstreflexion/Ehrlichkeit wertschätzen. Beispiel: „Sie haben mir gerade gesagt, dass sie die Reinigung mit der Zahnseide nicht interessiert. Danke für Ihre Ehrlichkeit.“
„R“ „reflective listening“ – reflektieren Sie des Gesagte – Ihren Patienten zu reflektieren, ist der beste Weg ihm Empathie entgegenzubringen. Es zeigt ihm, dass man sich ehrlich bemüht seine Perspektive einzunehmen. Beispiel: „Sie scheinen ja schon jede Hoffnung verloren zu haben, jemals mit dem Rauchen aufzuhören.“
„S“ „summaries“ – fassen Sie die Äußerungen des Patienten zusammen. Das zeugt von Ihrem ehrlichen Interesse und strukturiert zudem das Gespräch. Dabei werden alle Gedanken zum Thema Veränderung zusammengefasst. Beispiel: „Sie fühlen sich noch nicht wirklich bereit mit dem Rauchen aufzuhören. Machen Sie sich aber Gedanken, wie Ihr Umfeld reagiert, wenn es erfährt, dass Sie noch immer rauchen, stimmt das so?“
Neben Kommunikation und Fragetechnik sind auch Anleitungen hilfreich, wie der Beratungsprozess optimiert werden kann. Ziel dabei ist es, den Patienten in 3 Schritten zu motivieren, Ihren Empfehlungen zu folgen.
Step 1: Bereitschaft und Interesse wecken. Beispiel: „Ich hätte da Informationsmaterial zu diesem Thema. Hätten Sie Interesse daran, mehr zu erfahren?“
Step 2: Sachlich informieren. Informationen in Form von Wissensangeboten so sachlich wie möglich darlegen und die Autonomie des Patienten bestärken. Beispiel: „Die Forschung an der Uniklinik hat gezeigt, dass …“ oder „Einige Patienten erzählten mir, dass …“
Step 3: Bestätigung einholen. Nachfragen, ob die Informationen beim Patienten angekommen sind und ob dadurch neue Perspektiven und Motivation für eine Veränderung entstanden sind. So können auch Wissenslücken gefüllt und Missverständnisse ausgeräumt werden. Sollte der Patient die Information jedoch ablehnen, ist es wichtig, keine neuerliche Diskussion darüber zu beginnen, sondern die Entscheidung des Patienten zu akzeptieren.
Natürlich wird es etliche Recallsitzungen benötigen, bis signifikante Veränderungen erkennbar werden. Aber wenn es um Änderungen des Gesundheitsverhaltens geht, benötigen manche Patienten eben mehrere Hinweise – vor allem jene, die klar aussprechen, dass sie weiteren Rat benötigen. Andere wiederum„drückt aktuell in einem anderen Lebensbereich der Schuh“ und sie fühlen sich im Moment mit einem „passiven Gegenüber“ wohler. Und jene Patienten, die zwar genau wissen, was sie tun sollten, es aber noch nicht geschafft haben, es umzusetzen, werden sich am ehesten mit Motivation im „anleitenden Stil“ geborgen fühlen.
Wir können nicht erwarten, dass Parodontalpatienten dazu bereit sind, ihre Mundhygienegewohnheiten oder ihren Lebensstil alleine deshalb zu ändern, weil wir ihnen eine gute Mundgesundheit empfehlen (Miller und Rollnick 2002). Die Bereitschaft eines Patienten für eine diesbezügliche Veränderung muss vielmehr durch die richtige und einfühlsame Motivation durch die Prophylaxe-Assistentin passieren. Und dazu müssen wir das Selbstbewusstsein unserer Patienten stärken und ihr Selbstverständnis begreifen. Dabei dürfen wir nicht allzu ungeduldig sein: Denn für uns Prophylaxe-Assistentinnen erkennbar kleine Veränderungen sind für Patienten oft schon Meilensteine.
Durch eine individuell abgestimmte Motivationsstrategie kann die Prophylaxe-Assistentin sich und ihrem Patienten den Langzeiterfolg der Prophylaxemaßnahmen sicherstellen. Sprich, werden die richtigen Kommunikationsinstrumente eingesetzt, wird der Patient – wenn auch nicht alle – Optimierungsvorschläge in der häuslichen Mundhygiene wie auch Empfehlungen (Ernährung, Raucherentwöhnung) mit nach Hause nehmen und auch Veränderungen in seiner Lebensweise umsetzen.Durch eine individuell abgestimmte Motivationsstrategie kann die Prophylaxe-Assistentin sich und ihrem Patienten den Langzeiterfolg der Prophylaxemaßnahmen sicherstellen. Sprich, werden die richtigen Kommunikationsinstrumente eingesetzt, wird der Patient – wenn auch nicht alle – Optimierungsvorschläge in der häuslichen Mundhygiene wie auch Empfehlungen (Ernährung, Raucherentwöhnung) mit nach Hause nehmen und auch Veränderungen in seiner Lebensweise umsetzen.
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