
Dentale Restauration bei Bulimie-Betroffenen durch eine innovative digital unterstützte Therapie
Fallbeispiel
DDr. Polina Kotlarenko, DDr. Astrid Skolka, MSc, ZTM Tom Vaskovich
Universitätszahnklinik Wien
Ausgangssituation
Eine 36jährige Patientin stellte sich an der Universitätszahnklinik aufgrund ihrer dentalen Erosionen vor und klagte über das kurze Erscheinungsbild ihrer Zähne, welches sich über die letzten Jahre verschlimmert hatte.
Die Patientin war seit 23 Jahren an Bulimie erkrankt, mit einer Erbrechensfrequenz von bis zu zehnmal pro Tag an sieben Tagen pro Woche.
Sie befand sich bereits seit 2,5 Jahren in Psychotherapie und konnte das Erbrechen bereits auf zweimal pro Tag an nur zwei Tagen pro Monat reduzieren.
Es wurde sowohl eine detaillierte zahnmedizinische Untersuchung mit Röntgenaufnahmen durchgeführt als auch eine klinische Funktionsanalyse mit Achsiographie für die individuelle Programmierung des virtuellen Artikulators.
Digitaler Arbeitsablauf nach dem Wiener Konzept
Der digitale Arbeitsablauf wird von einem virtuellen Artikulator und einer innovativen 4-Stufen-Technik unterstützt.
Stufe 1:
Nur eine einzige Abformung und Bissregistrierung ist notwendig vom Ersttermin bis zum Einsetzten der Restauration. Die Abformung wird über einen intraoralen Scan durchgeführt und in weiterer Folge digital in eine Software eingespielt um nach virtuellem Design (CAD) eine Computerunterstützte Produktion (CAM) der Restauration zu gewährleisten.
Stufe 2:
Bestimmung einer neuen adäquaten vertikalen Dimension sowohl über eine cephalometrische skelettale Analyse als auch über eine Vorhersagbarkeit der fazialen Weichgewebe (‚soft tissue prediction’ technique). In vorliegendem Fall war laut skelettalen Werten die Erhöhung der vertikalen Dimension über 10mm Inzisalstift indiziert, was zusätzlich über eine faziale Weichteilanalyse überprüft wurde.
Stufe 3:
Ein abnehmbares Probegebiss unterstützt einen schrittweisen nicht-invasiven Testlauf der ästhetischen und funktionellen Veränderungen, welcher im speziellen für Patienten mit Körperschemastörungen wie bei Bulimie-Betroffenen hilfreich ist.
Nach einer Eingewöhnungsphase von drei Monaten, in der die Patientin das Probegebiss sieben oder mehr Stunden am Tag getragen hat, konnte sie die körperlichen Veränderungen akzeptieren
Stufe 4:
Einzelzahn-Kronen auf unpräparierten Zähnen als Langzeitprovisorium erlauben die adhäsive Befestigung der kompletten Restauration in nur einer Sitzung und, falls notwendig, eine mögliche Reversibilität der Restauration.
Ergebnisse
In vorliegendem Fall von diagnostizierten erosiven Veränderungen haben digitale Arbeitsabläufe die vier-Stufen-Technik dabei unterstützt, einen komplexen Patientenfall in einen simplen Fall mit neu bestimmter vertikaler Dimension und Bissposition zu transferieren und eine immense Reduktion von belastenden Terminen durch Anwendung einer ‚Speed-up’ Therapie zu ermöglichen.
Der innovative therapeutische Zugang mit digitalisierten Arbeitsabläufen erhöht durch eine Simulation der erwarteten Ergebnisse über mehrere Stufen die Erfolgsprognose sowohl für die Patienten als auch für die Behandler.
Abbildung 1: Fortgeschrittene Erosionen aufgrund von Bulimie
Abbildung 2: Verlust von Ästhetik und Funktion
Alle Fotos und Abbildungen auf dieser Seite: © Kotlarenko, Universitätszahnklinik Wien
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Abbildung 3: CAD/CAM gefertigte Schienen
Abbildung 4: Intraoral eingesetzte Schienen zur Erhöhung der vertikalen Dimension in +5, +7, +10, +15 mm
Abbildung 5: Virtuelle Erhöhung der Vertikalen Dimension
Abbildung 6: CAD/CAM gefertigtes Probegebiss
Abbildung 7: Voraussagbarkeit von Hart- und Weichgewebe
Abbildung 8: Restauration mit Einzelzahnkronen
Abbildung 9: Gesichtsbezogene Restauration
Alle Fotos und Abbildungen: © Kotlarenko, Universitätszahnklinik Wien
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