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Das große Fluorid-Update

By: | Tags: , , , , , , , | Comments: 0 | April 9th, 2013

Verschiedenste Untersuchungen zeigen, dass der Kariesrückgang während der letzten Jahrzehnte auf die Anwendung von Fluoriden zurückzuführen ist. Dabei sind überwiegend lokale Fluoridapplikationen – vor allem die Verwendung fluoridhaltiger Zahnpasten – von Bedeutung.

Während eines kariogenen Säureangriffes werden von Plaquebakterien aus Kohlehydraten organische Säuren gebildet, bei deren Zerfall H+-Ionen freigesetzt werden. Dies bedingt einen niedrigen pH-Wert in der den Zahn umgebenden Plaqueflüssigkeit. Bei niedrigerem pH-Wert lösen sich aus dem Zahn Phosphationen und Hydroxylionen. Dieser Vorgang führt letztendlich in weiterer Folge zur Abgabe von Kalzium aus der Zahnhartsubstanz – die logische Konsequenz: Der Zahn löst sich auf.

Dieser Auflösungsprozess hängt einerseits von der Zusammensetzung der Schmelz-, Dentin- und Zementkristallen ab, andererseits spielt die den Zahn umgebende Plaque eine wichtige Rolle. Dies erklärt wiederum die verschiedenen kritischen pH-Werte für Schmelz (ca. 5,5) oder Dentin (ca. 6,3) und die Variationen in der Kariesaktivität zwischen Patienten, da der Kalzium-, Phosphat- oder Fluoridgehalt im Speichel und in der Plaque von Patient zu Patient verschieden sein kann. Die Frequenz von Zuckereinnahme und fehlende bzw. mangelnde Mundhygiene beeinflussen diese Faktoren und spielen eine noch wichtigere Rolle.

Erosionen entstehen, wenn plaquefreie Zähne einer dauerhaften Einwirkung von endogenen und exogenen Säuren ausgesetzt sind. Bei Erosionen ist nicht allein der pH-Wert, sondern auch der Kalzium-, Phosphat- und Fluoridgehalt des erosiven Getränkes wichtig. Aus diesem Grund kann der „kritische“ pH-Wert bei der Erosion bedeutend tiefer liegen, wenn z. B. das Getränk oder das Nahrungsmittel mit Kalzium versetzt ist.

Zahlreiche Untersuchungen zeigen, dass der Einbau von Fluoriden in die mineralischen Anteile des Schmelzes die Löslichkeit nur in geringem Ausmaß reduziert. Geringe Mengen von gelösten Fluoriden in der Zahnumgebung hemmen dagegen die Demineralisation effektiver als inkorporiertes Fluorid und haben ein weitaus größeres kariesprotektives Potenzial als ein hoher FAP-Anteil im Schmelzmineral.

Dabei werden auf der Kristalloberfläche Fluoridionen zum Teil adsorbiert und stehen im dynamischen Gleichgewicht mit den gelösten Fluoriden in der unmittelbaren Umgebung. Dieser Adsorption der Fluoride auf dem Kristall wird ein direkter Schutz vor Demineralisation zugeschrieben. In den unbedeckten Bereichen dagegen kann der Schmelzkristall beim Säureangriff lokal aufgelöst werden. Solche geringen Fluoridkonzentrationen werden auch nach Verzehr von mit Kochsalz zubereiteten Speisen erreicht, da sich der F-Gehalt im Speichel signifikant für etwa 30 Minuten erhöht.

Kalziumfluorid von hoher Bedeutung

Als bedeutender Faktor für die Kariesprävention gilt Kalziumfluorid, das sich bei der Anwendung F-haltiger Präparate mit einem Niederschlag auf der Zahnoberfläche bildet. Das Kalzium stammt entweder aus dem Speichel oder nach der Applikation leicht saurer Fluoridierungsmittel zum Teil auch aus dem Zahn. Kalziumfluorid (CaF2) zeigt sich bei genauer Betrachtung in Form von kugelförmigen Globuli, deren Struktur im Hinblick auf Menge und Größe variieren kann. Bei der Anwendung einer sauren Aminfluoridlösung bilden sich die ersten CaF2-Globuli schon nach 20 Sekunden, bei saurem Natriumfluorid etwas später und bei Natriummonofluorphosphat (MFP) kommt es in vitro gar nicht zur
CaF2-Bildung.

Kalziumfluorid (CaF2) gilt als Hauptlieferant für freie F-Ionen während des Säureangriffes. Die freigesetzten F-Ionen hemmen einerseits die Demineralisation und wirken sich andererseits fördernd auf die Remineralisation aus. Sie sind während des kariösen Angriffes von weitaus größerer Bedeutung als ein hoher F-Gehalt im Schmelzkristall.

In mehreren Studien konnte aber auch eine Zunahme des strukturell gebundenen Fluorids in initialen Schmelzläsionen beobachtet werden. Die Auflösung der CaF2-Schicht führt zudem zu einer kariesprophylaktisch bedeutenden Erhöhung der Fluoridkonzentration im Speichel und der Plaque. Auch zwei Stunden nach Anwendung einer aminfluorid- oder natriumfluoridhaltigen Zahnpaste bestand noch eine erhöhte Fluoridkonzentration im Speichel. Werden Zähne nach professioneller Zahnreinigung mit CaF2-bildenden Fluoridierungsmitteln benetzt, findet man in der sich später bildenden Plaque mehr F und damit einen besseren Schutz vor Demineralisation. Kalziumfluorid ist daher sicher das wichtigste und möglicherweise sogar das einzige Reaktionsprodukt auf der Zahnhartsubstanz nach der Lokalapplikation von Fluoridierungsmitteln.

Behinderung der Bakterien-Anhaftung

Ein weiterer Mechanismus ist die Behinderung der bakteriellen Adhäsion an Zahnoberflächen nach Vorbehandlung mit fluoridhaltigen Präparaten. Hier gibt es allerdings unterschiedliche Ergebnisse: Während einerseits gezeigt werden konnte, dass die bakterielle Adhäsion und teilweise auch der bakterielle Metabolismus durch eine derartige Vorbehandlung behindert wird, gibt es andere Studien, die keinen Unterschied zwischen unbehandeltem und behandeltem Zahnschmelz fanden. Es gibt aber Hinweise darauf, dass die Kationen der Fluoridverbindung (z. B. Zinn oder Aminbestandteile) die bakterielle Besiedelung behindern können.

Einfluss auf die Plaque-Zusammensetzung

Zur Wirkung von Fluoriden auf die Plaquezusammensetzung kann gesagt werden, dass unter Einwirkung von Fluoriden die Anzahl von Mutans Streptokokken abnimmt, andererseits gibt es Ergebnisse die zeigen, dass es in der Plaquezusammensetzung von Menschen, die in Gebieten mit einem hohen Fluoridgehalt im Trinkwasser leben, keinen Unterschied zu Menschen gibt, bei denen wenig Fluorid im Trinkwasser vorhanden war.

Wirkung im oralen Biofilm

Generell muss festgehalten werden, dass die kariespräventive Wirkung von Fluoriden auf einer Wirkung im oralen Biofilm beruht. Die kariesreduzierende Wirksamkeit und die kariespräventive Wirkung lokal applizierter Fluoridpräparate wurden bereits in zahlreichen Arbeiten bestätigt.

Einsatz von Fluoridtabletten

Für den Einsatz von Fluoridtabletten gibt es nur eine sehr spärliche Evidenz aus klinischen Untersuchungen. In einer kürzlich erschienenen Übersichtsarbeit wird angemerkt, dass Fluoridtabletten nur bei Kindern angewendet werden sollen, die ein hohes Kariesrisiko aufweisen und die nicht regelmäßig andere Fluoridierungsmaßnahmen wie z. B. Konsum fluoridiertes Trinkwasser, Speisesalzfluoridierung, Verwendung fluoridhaltiger Zahnpasta benutzen. Fluoridtabletten sollten aber – wenn überhaupt – regelmäßig verwendet und gelutscht werden. Aufgrund der Tatsache, dass Fluoride in erster Linie lokal am Zahn wirken, ist die Verwendung von Fluoridtabletten weitgehend in den Hintergrund gerückt.

Bei der Speisesalzfluoridierung kann davon ausgegangen werden, dass diese eine wirksame kariespräventive Maßnahme ist, wobei in Ländern, mit bereits bestehendem hohem Niveau der Kariesprävention der zusätzliche Effekt der Verwendung des Fluoridsalzes kaum noch nachweisbar ist.

Verwendung fluoridhaltiger Zahnpasten

Die tägliche Verwendung einer fluoridhaltigen Zahnpasta ist die Basis der Kariesprävention mit Fluoriden, da sie leicht verfügbar ist und bei regelmäßiger Verwendung kontinuierlich Fluoridionen für die kariesprotektiven Vorgänge an der Zahnoberfläche zur Verfügung stehen. Dieser kariespräventive Effekt gilt für alle Altersgruppen und steigt mit zunehmender Fluoridkonzentration an. Die Wirkung fluoridhaltiger Zahnpasten kann durch eine Erhöhung der Zahnputzfrequenz gesteigert werden.

Auch für Kinderzahnpasten mit einem Fluoridgehalt von 500 ppm wurde in mehreren Untersuchungen nachgewiesen, dass sie kariesprophylaktisch wirksam sind. In Ländern, in denen auch andere Fluoridierungsmaßnahmen (z. B. Kochsalz, Trinkwasser) durchgeführt werden, sollte man daher bei Kindern bis zum 6. Lebensjahr eine Kinderzahnpasta verwenden, um einer Fluorose durch übermäßige Fluoridaufnahme vorzubeugen, auch wenn in einem kürzlich publizierten Cochrane-Review empfohlen wird, eine fluoridhaltige Zahnpasta von 1.000 ppm und mehr zu verwenden.

Anwendung professioneller Fluoridierungssysteme

Eine Anwendung professionell applizierbarer Fluoridpräparate, wie Lacke oder Gele, ist vor allem bei erhöhtem Kariesrisiko empfehlenswert. Dabei zeigt sich, dass eine mehrmalige Applikation pro Jahr (viermal) zu einer verbesserten kariespräventiven Wirkung beiträgt. Fluoridgele können aber auch individuell wöchentlich eingebürstet werden.

Richtlinie für fluoridhaltige Mundspüllösungen

Fluoridhaltige Mundspüllösungen sind besonders für Patienten mit festsitzenden kieferorthopädischen Apparaturen zu empfehlen. Ansonsten sollten sie erst ab dem Schulalter eingesetzt werden, wenn ein erhöhtes Kariesrisiko vorliegt. Eine Studie zeigte, dass bei Jugendlichen in der Pubertät die Verwendung fluoridhaltiger Mundspüllösungen zu einer geringeren Kariesinzidenz im Vergleich zur Kontrollgruppe beiträgt.  Andere Untersuchungen mit überwachtem Zähneputzen zeigten, dass das Spülen keinen, wie früher vermuteten negativen Einfluss hat.

Mit der praktischen Empfehlung, nur mit wenig Wasser gründlich zu spülen, erreicht man einerseits einen kariesreduzierenden Effekt und andererseits wird der größte Teil der Zahnpaste mit ihren zahlreichen Zusatzstoffen ausgespuckt. Es werden allerdings noch weitere Studien nötig sein, um diesbezüglich eine allgemein gültige Empfehlung für alle Altersbereiche festzuschreiben.

Quelle:
Lussi A et al. (2012) Fluoride – Wirkmechanismen und Empfehlungen für deren Gebrauch. Oralprophylaxe & Kinderzahnheilkunde 34:72-80