Themen

Wissenswertes für Prophylaxe-AssistentInnen erwartet Sie im Bereich Prophy-Themen.
Filtern Sie nach der gewünschten Kategorie, geben Sie Ihren individuellen Suchbegriff
ein und finden Sie so alle Artikel zum gewünschten Thema.

Auf Augenhöhe mit den Patienten

By: | Tags: | Comments: 0 | März 17th, 2021

Jeder weiß, wie wichtig die Kooperation zwischen dem zahnärztlichen Team und den Patienten ist, wenn es um den Erfolg und die längerfristige Sicherung von Mundhygiene geht. Die „Therapietreue“ wird allgemein unter dem Begriff Compliance erklärt. Gemeint ist damit jene Bereitschaft des Patienten, die vom Arzt empfohlenen Maßnahmen auch einzuhalten. Dr. Johan Wölber, Zahnarzt und wissenschaftlicher Mitarbeiter der Klinik für Zahnerhaltungskunde und Parodontologie am Universitätsklinikum Freiburg, befasst sich seit Jahren mit diesen Zusammenhängen. Er plädiert für einen zeitgemäßen Zugang, nämlich jenen der Adhärenz. Damit wird die Übereinstimmung zwischen dem Patientenverhalten und der ärztlichen Empfehlung zum Ausdruck gebracht.

 

Die Adhärenz ist deshalb so wichtig, weil sie die Hauptrisikofaktoren, ganz besonders bei Parodontitispatienten, maßgeblich beeinflusst. Das sind zum Beispiel unregelmäßiges Erscheinen zur Nachsorge, das Rauchen, die Ernährung oder eine inadäquate Mundhygiene.

 

Warum sind Patienten nicht adhärent?

So viele Argumente aus zahnärztlicher Sicht für eine Kooperationsbereitschaft sprechen, so viele können aus Sicht des Patienten aufs erste dagegen sprechen – wie zum Beispiel die Kosten, eine Krankheit, die den Besuch in der Praxis verhindert oder verzögert,  Angst vor dem Zahnarzt und Schmerzen oder schlicht das Verständnis darüber warum Zahnreinigung wirklich notwendig ist. Manchmal geht es auch um die Überwindung des „inneren Schweinehundes“ oder schlicht darum, eine schlechte Erfahrung gemacht zu haben oder um Unzufriedenheit mit dem bisher Wahrgenommenen.

 

Selbstwirksamkeit als Schlüssel zum Erfolg

Eine Möglichkeit, die Adhärenz zu fördern, ist die sogenannte Motivierende Gesprächsführung, kurz MI genannt. Sie fördert gezielt die Selbstwirksamkeit, d.h. den inneren Glauben des Patienten, seine Gesundheit positiv beeinflussen zu können. Aber auch  Apps rund um das Mundgesundheitsthema können Adhärenz fördern.

 

MI wurde in den 60er und 70er Jahren von William Miller & Stephen Rollnick entwickelt. Sie befassten sich mit Alkoholikern und entdeckten, je mehr diese  „angewiesen“ wurden keinen Alkohol zu trinken, desto mehr Alkohol tranken sie. Gesprächsanalysen zeigten, dass selbstmotivierende und positive Aussagen, die die Patienten selbst trafen – wie z.B. „Ich möchte meine Enkelkinder aufwachsen sehen“, oder „Ich weiß, es tut mir nicht gut“ – die Erfolgsrate steigerten.

 

Dr. Wölber vergleicht die Rolle des Gesprächsführers mit jener eines Reiseführers. Es gilt herauszufinden, was und wie der Patient sein Ziel erreichen will. Denn die Wege zu einer guten Mundgesundheit sind so vielfältig wie die Persönlichkeiten der Patienten in der Praxis.

 

Beginnen wir mit der Grundhaltung

Partnerschaftlichkeit und Kooperation bilden die Basis im Zusammenspiel zwischen zahnärztlichem Team und Patienten. In der Praxis heißt das, nicht gleich ein Lamento über

Keime, Mundpflege und Karies zu beginnen, sondern eine interessierte Beziehung zum Patienten aufzubauen. Das bringt uns zu Punkt zwei, der Akzeptanz. Sie ist geprägt von einer bedingungsfreien Wertschätzung des Gegenübers, egal wer die Person ist. Alleine dass jemand in die Praxis kommt, wäre einer Würdigung wert und die Unterstützung der Autonomie und Empathie aus Sicht des Patienten ist schon hilfreich. Mitgefühl gepaart mit Evokation (Hervorlocken) ist ebenso eine wichtige Kombination. Damit ist gemeint, den Menschen keine Ziele vorzugeben, sondern eher zu fragen wie zum Beispiel „Was würde Ihnen helfen…? Und natürlich das Loben – wer braucht nicht ab zu ein Schulterklopfen dafür, etwas gut gemacht zu haben.

 

Die Prozesse sind im MI klar definiert. Es geht primär um Beziehungsaufbau, um Fokussierung auf ein bestimmtes Thema wie z.B. Mundhygiene, Ernährung oder Rauchen, um Evokation wie schon oben erwähnt, also Ziele und Gründe „herauszulocken“ und um eine abschließende Planung.

 

Wertvolle Techniken zur MI finden sich alleine in der Fragestellung. Nur wer gut zuhört, wird viel erfahren. Offene Fragenbringen mehr Erkenntnis als geschlossene. „Rauchen Sie“ versus „Was denken Sie übers Rauchen“? Oder „Wie betreiben Sie Mundhygiene?“ statt „Putzen Sie auch zweimal am Tag die Zähne“? Ein wertvolles Element ist auch das „Würdigen“, also zum Beispiel „Ich finde es toll, dass Sie so regelmäßig zu unseren Terminen kommen“, „Ich danke Ihnen fürs Kommen“, oder „Ich finde es eine großartige Leistung von Ihnen, dass Sie drei Wochen nicht geraucht haben“. Auch die Reflektion spielt eine Rolle wie an diesem Beispiel gezeigt werden kann. Patient: „So richtig kann ich es gar nicht glauben, dass die Parodontitis vom Rauchen kommt“. Zahnarzt: „Das ist für Sie schwer vorstellbar, dass Rauchen so was auslöst.“

 

Dr. Wölber verweist auf eine Studie, die die Selbstwirksamkeit bei 126 Patienten prüfte, und die eine signifikante Korrelation der Selbstwirksamkeit mit dem faktischen Mundhygieneverhalten, der Inanspruchnahme von PZR´s, dem Wiedererscheinen in der Zahnarztpraxis und höheren Zielen in der Handlungsplanung zeigte. Selber machen lassen und zuschauen wie andere das machen, steigert im übrigen diese Selbstwirksamkeit.

 

Wer sich Grundlegen des MI online aneignen möchte, kann hier reinklicken:

http://www.bit.ly/emimed

Die Motivierende Gesprächsführung ist eine evidenzbasierte Methode zur Förderung der Adhärenz. Ein wichtiges Ziel lautet, die Selbstwirksamkeitserwartung von Patienten zu fördern.

Dr. Johan Wölber

Definition MI nach William Miller & Stephan Rollnick (2013)

„Motivation Interviewing (MI) ist ein kooperativer, zielorientierter Kommunikationsstil mit besonderer Aufmerksamkeit auf die Sprache der Veränderung. Durch Erkunden und Hervorrufen von individuellen Veränderungsgründen soll die persönliche Motivation und die Selbstverpflichtung gegenüber einem bestimmten Ziel gestärkt werden. MI findet in einer Atmosphäre von Akzeptanz und Mitgefühl statt“.