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Goodbye RDA-Wert

By: | Tags: , , , , , , | Comments: 0 | Oktober 10th, 2015

Vom RDA-Wert zur vereinfachten Abrasionsklassifikation

Zahnpasten und deren RDA-Wert stehen im Fokus, wenn es in der Prophylaxesitzung um Defekte der Zahnhartsubstanz geht. Zahnärzte und Prophylaxefachkräfte verfolgen konsequent das gleiche Ziel: Glättung der Zahnoberflächen, um eine Plaque-Akkumulation zu verhindern. Pasten, die dabei an Zähnen und Implantaten unauspolierbare Spuren hinterlassen, lassen deshalb Prophylaxefachkräfte genauso wie Patienten gleichermaßen unzufrieden werden. Aufgeraute Zahnoberflächen durch Fehl- bzw. Überbehandlung zeigen eindeutig, dass die Entstehung von Belägen und Verfärbungen der Zahnoberfläche beschleunigt werden. Und die Abrasivität von Pasten spielt dabei eine nicht zu unterschätzende Rolle.

RDA – eine relative Größe

Zur Einschätzung der Abrasivität wird in der Regel der RDA-Wert herangezogen. Der RDA-Wert steht für radio­aktive (relative) Dentinabrasion und ist zum gebräuchlichen Maßstab für Abrasivität in der Zahnmedizin geworden. Im Vergleich zu einem Referenzwert gibt der RDA-Wert die Abrasivität einer Zahnpaste oder Prophylaxepaste auf Dentin an. Dieser Wert ist ein relativer Wert, der sich zusätzlich schwer reproduzierbar messen lässt. Schwankungen von 10–25% sind, bedingt durch  unterschiedliche Messmethoden, in der Literatur keine Seltenheit. Ein absoluter Wert wäre wünschenswert. Es gibt allerdings kein Testinstitut, das unter den standardisierten Bedingungen sagen kann, wie viel Dentin bei Verwendung einer bestimmten Paste tatsächlich abgetragen wird. Wie unterschiedlich die RDA-Testanordnungen an den beiden größten Testinstituten in Indiana (USA) und Zürich (Schweiz) tatsächlich sind, ist in Tabelle 1 abgebildet.

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Tabelle 1: Vergleich der wichtigsten Parameter des Vorgehens bei RDA-Messungen in Indiana (USA) und in Zürich (Schweiz)

Genau in diesem Punkt liegt auch eine ernste Problematik begründet: Da offiziell gemessene RDA-Werte abhängig von der Messmethode stark variieren, sind nicht nur Patienten, sondern auch das zahnmedizinische Personal verunsichert und sehen in Zahnpasten mit höherem RDA-Wert ein erhöhtes Risikopotenzial, obwohl dieser hohe RDA-Wert lediglich durch  eine spezifisch angewandte Messmethode entstanden sein könnte. Als prophylaktische Empfehlung werden daher oft Zahnpasten mit niedrigem RDA-Wert bevorzugt, obwohl das fachlich oft nicht unbedingt begründbar ist.

RDA-Werte häufig nicht vergleichbar

Dass Ringversuche mit gleichen Testpasten in verschiedenen Laboratorien zu zahlenmäßig unterschiedlichen Resultaten führen, spricht nicht per se gegen die RDA-Messmethode. Vielmehr zeigt es, dass man zahlenmäßig nur Werte aus dem gleichen Labor vergleichen sollte. RDA-Werte verschiedener Laboratorien sind nicht eins zu eins vergleichbar. Die Auswertung der Ringversuche zeigte jedoch auf, dass Ergebnisse von den beiden Test­instituten in Indiana und Zürich fast parallel verlaufen und, wie in Tabelle 2 ersichtlich, eine Umrechnung doch möglich ist.

Problematisch für das zahnärztliche Team und für Konsumenten ist die Tatsache, dass bei rein numerischen Angaben des RDA-Wertes auf Packungen und in der Werbung nicht präzisiert wird, aus welchem Testlabor die Werte stammen.

Vom RDA-Wert zur RDA-Klassifikation

Aus diesem Grund wäre es sehr erstrebenswert und sachdienlich, auf Zahnpasten – in Analogie zu den Härtegraden von Zahnbürsten (weich, mittel, hart) – RDA-­Klassifikationen anstelle von RDA-Zahlen auszuloben. Ein Vorschlag zur Klassifizierung von RDA-Werten ist ebenfalls in Tabelle 2 ersichtlich. Damit wären die heute störenden Unklarheiten bezüglich der RDA-Werte ­behoben. Konsumenten hätten so eine einfache und nachvollziehbare Hilfestellung bei der Wahl ihrer Zahnpasta. Und Zahnärzte bzw. Prophylaxefachkräfte bekämen so eine durch wissenschaftliche Untersuchungen gestützte Hilfe bei der abrasionsabhängigen Wahl der individuell am besten geeigneten Zahnpaste für ihre Patienten.

Auch Co-Faktoren sind zu beachten

Des Weiteren ist heute bekannt, dass der RDA-Wert einer Paste nicht „Alleinverursacher“ von Material­reduktion ist. Eine Kombination verschiedener Faktoren – die Abrasivität der Paste, die Art der Durchführung der Mund­hygienemaßnahmen, die Dauer und nicht zuletzt die individuellen anatomischen Aspekte des Patienten – können die Folgen für die Zahnhartsubstanz mitbestimmen. RDA-Werte in der Mundhygiene (häuslich wie in der Praxis) können daher lediglich Orientierungswerte sein. Wenn das Zahnhartgewebe durch häusliche Mundhygiene­maßnahmen und/oder falsche professionelle Prophylaxe reduziert wird, ist ein Blick auf

  • die Zahnbürste
  • die Putztechnik
  • den ausgeübten Druck auf die Zahnbürste
  • die Putzfrequenz
  • die Putzdauer
  • den Putz-Zeitpunkt (z.B. direkt nach einem ­chemischen Säureangriff) zu werfen.

Des Weiteren sind auch die Poliermaterialien in der Prophy­laxesitzung auf die Zahnoberflächen und den Bearbeitungsgrad anzupassen. Die Kombination von erosiven und abrasiven Einflüssen erhöht den Hartgewebsabtrag. Lernt ein Patient pauschal: „Nach jedem Essen Zähneputzen“ (unabhängig von der vorangegangen Mahlzeit inklusive Getränken) und setzt die Mundhygiene exzessiv um, sind die Bereiche des Zahns mit dünner Schmelzschicht extrem gefährdet. Beispielsweise wissen wir heute, dass der Zahnhartsubstanzverlust nach einem erosiven Angriff auf die Zahnoberfläche bis zu 60 Mal höher ist als ohne.

Neben diesen Co-Faktoren spielen auch die Strukturen der Oberflächen bzw. die Beschaffenheit der Hartgewebe eine immer größer werdende Rolle.

Unterschiedliche Zahnoberflächen wie

  • Schmelz
  • Dentin
  • demineralisierter Schmelz
  • demineralisiertes Dentin
  • kariös geschädigter Schmelz
  • kariös geschädigtes Dentin
  • raue Füllungen
  • scharfe Kanten

können unterschiedliche Reaktionen auf verschiedene Prophylaxemaßnahmen zeigen. Deshalb ist bei Zahnpasten sowie auch bei Prophylaxepasten Vorsicht geboten. Und das unabhängig vom jeweiligen RDA-Wert: z.B. kann ein hartes Polierbürstchen in Kombination mit einer wenig abrasiven Paste – abhängig von der Oberflächenbeschaffenheit des Zahns – in einem Fall bereits irreversible Schäden verursachen, in anderen Fällen aber nicht.

Das RDA-Fazit

Wie unterschiedlich die Hersteller mit RDA-Werten umgehen, erleben Prophylaxe-Fachkräfte täglich bei Gesprächen mit den Vertretern der Produkthersteller. Manche gehen sehr offen mit der Bekanntgabe des RDA-Wertes um, andere zögern wiederum bei einer klaren Deklaration. Generell tendiert die heutige Lehrmeinung dazu, dass die Wertigkeit der RDA-Werte zu hoch eingestuft wurde und wird, da zahlreiche Co-Faktoren einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf die Entstehung nicht-kariogener Zahnhartsubstanzdefekte haben. Der RDA-Wert ist ein Mosaiksteinchen unter vielen anderen: Es zählt nach wie vor die individuelle Beratung und der allumfassende Blick, welche Komponenten zusätzlich beachtet werden müssen. Diese „Ganzheit“ ist durch nichts zu ersetzen. Verlassen Sie sich auf Ihre Erfahrung, Ihren geübten Blick und Ihr Vertrauensverhältnis zu Ihren Patienten. Machen Sie aus der relativen Dentinabrasivität Ihre individuelle und persönliche Wahrheit.

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Tabelle 2: Umrechnung von RDA-Zahlen aus Indiana (USA) und aus Zürich (Schweiz) mit Vorschlag einer RDA-Einteilung für die Produktauslobung

* Der Umrechnungsfaktor basiert auf den im Text erläuterten Ringversuchen

Dieser Artikel ist eine Zusammenfassung des prophylaxe-dialog – Sonderausgabe RDA; Gaba International AG

Literatur:
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