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Bis an die Wurzel

By: | Tags: , , , , , , , , , , , | Comments: 0 | November 8th, 2014

Zahnstein ist nicht der alleinige Auslöser einer Parodontitis. Weitere Risikofaktoren, die berücksichtigt werden müssen, sind die genetische Präposition und darüber hinaus Erkrankungen wie Diabetes mellitus und die ganz persönlichen Verhaltensmuster der Patienten wie Rauchen, Stress oder Diäten. Deshalb ist es auch notwendig, bei der Therapie alle diese Fakten zu berücksichtigen.

 

Deepscaling als Basis

Die subgingivale Entfernung von Konkrementen (Deepscaling) ist ein wesentlicher Part bei der Behandlung einer Parodontitis. Jedoch sollten bei einer Parodontitistherapie auch alle oben genannten Risikofaktoren mit einbezogen werden. Denn nur wenn der Patient als Ganzes, und nicht isoliert als „Parodontitis“ betrachten wird, können wir ihn optimal in seinem Heilungsprozess unterstützen.
Bei einer „geschlossenen“ Parodontitistherapie – also ohne chirurgischem Eingriff – werden Konkremente und Biofilm in der Mundhöhle, in den Taschen und auch an den Wurzeloberflächen auf einen tolerierbaren Bereich reduziert. Eine vollständige Entfernung ist auch kaum möglich und nicht ratsam. Weitere therapeutische Maßnahmen wie eine individuell angepasste Instruktion, regelmäßige Motivation, wenn notwendig endotontische Maßnahmen bei „paroendo Läsionen“, Extraktion, Entfernung von iatrogenen Reizen (Füllungsrandkorrekturen) und Kariessanierung können notwendig sein, um eine neue Plaquebesiedelung zu vermeiden.

Indikationen

• Parodontitis mit supraalveolären (über dem knöchernen Zahnfach endenden) Zahnfleischtaschen
• Taschen mit Sondierungstiefen unter 6 mm
• Einzeltaschen an einwurzeligen Zähnen mit Sondierungstiefen über 6 mm

Kontraindikationen

• intraalveoläre (in das knöcherne Zahnfach reichende) Taschen, die nur unter Sicht kürettiert (ausgeschabt) werden können
• Endokarditisrisiko (Risiko der Entzündung der Herzinnenhaut)
• Immunsuppression (Vorgang, der immunologische Prozesse unterdrückt)
• Blutgerinnungsstörungen
• andere systemische Erkrankungen, die chirurgische Eingriffe verbieten

Vorbereitung im Vorfeld

Der Patient sollte bereits im Vorfeld zur Verbesserung seiner Mundhygienetechnik angeleitet werden, die dauerhaft umzustellen und zu optimieren ist. Ein regelmäßiger Recall unterstützt den Patienten dabei. Der Schwerpunkt liegt jedoch zwangsläufig bei der alltäglichen häuslichen Routine.
Anhand von Röntgenaufnahmen kann beurteilt werden, inwieweit eine parodontale Entzündung (des Zahnhalteapparats) bereits zum Abbau von Alveolarknochen (knöcherne Alveole: umgibt die Zahnwurzel) geführt hat. Die Erhebung des PSI (Parodontaler Screening Index) dient der Beurteilung des Entzündungszustands und der Tiefe der Zahnfleischtaschen.

Scaling-Techniken

Das Beseitigen des Biofilms und supra- und subgingivalen Zahnsteins wird als Scaling bezeichnet. Restlich verbliebene Zahnsteinpartikel und Rauheiten werden beim sogenannten Root Planing (Wurzelglättung) eingeebnet. Ziel der Oberflächenbearbeitung ist, eine möglichst glatte Wurzeloberfläche, die neuen mineralischen Ablagerungen, dem Biofilm und den von ihm produzierten Toxinen weniger Anhaftungsmöglichkeiten bietet.
Der Erfolg des Scalings ist weniger abhängig vom angewendeten Verfahren, sondern vielmehr von der Sorgfalt und dem systematischen Vorgehen, mit dem jede Fläche des Zahnes bearbeitet wird.

I. Handscaling

Für das konventionelle Entfernen harter Beläge von Hand werden spezielle Handinstrumente verwendet. Diese müssen für jeden Einsatz neu geschärft werden. Bei Beherrschung dieser schwierigen Technik (Vorsicht vor zu massiver Abtragung von Substanz!) sind optimale Ergebnisse zu erzielen, mit denen andere Techniken nicht immer mithalten können.

II. Ultraschallscaling

Welche Ultraschalltechnologie verwendet wird, ist von der Ordinationsphilosophie und den technischen Gegebenheiten der Einheit unterschiedlich.  Auf den Heilungsprozess (ST, AL, BoP) bezogen, wird heute die Reinigung mit Handinstrumenten und (Ultra-)Schall als gleichwertig betrachtet. Zu beachten ist jedoch der richtige Anstellwinkel des Inserts, der Anpressdruck und die Amplitude, denn eine Nichtbeachtung dieser Parameter kann zu schweren Schädigung von Wurzeloberflächen, Pulpen und Restaurationen führen.
Vorteil versus dem Handscaling ist die Zeitersparnis wie auch die erleichterte Zugänglichkeit im Furkationsbereich. Nachteil ist die Aerosolbildung, welche bei infektiösen Patienten unbedingt beachtet werden sollte. Diese kann jedoch mittels einer Chlorhexidinspülung vor der Sitzung deutlich minimiert werden.

III. Das Laserscaling

Der hohe technische Aufwand und notwendige fachbezogene Weiterbildungen führen dazu, dass der zahnärztliche Einsatz von Lasern generell eher die Ausnahme darstellt. Dazu kommt, dass Zahnstein und Konkremente derzeit unter Praxisbedingungen mit den meisten gängigen Lasersystemen noch nicht gezielt entfernt werden können. Erfolg versprechend sind jedoch Ergebnisse mit Lasern im 3 µm-Bereich, beispielsweise dem Er:YAG-Laser, wenngleich auch hiernach die Wurzeloberflächen recht rau zurückbleiben. Der Attachmentgewinn ist dennoch dem Ergebnis eines konventionellen Scaling mit Handinstrumenten oder Ultraschall vergleichbar.

IV. Die Photodynamische Therapie (PDT)

Die lichtinduzierte Zytotoxizität eines Farbstoffs soll antimikrobielle Effekte in der Tasche bewirken. Als Monotherapie ist die PDT ungeeignet. Auch langfristig konnten zusätzlich zur Depuration gegenüber der rein mechanischen Therapie keine besseren Effekte nachgewiesen werden.

V. Das Glycin Powder Air Polishing (GPAP)

Die seit vielen Jahren etablierte Pulverstrahltechnik wurde durch Entwicklung eines niedrig-abrasiven wasserlöslichen Pulvers auf Glyzinbasis und Verwendung eines neuartigen Ansatzes auf den subgingivalen Einsatz im Recall ausgedehnt. Im Recall hat sich GPAP  etabliert und wird vom Patienten als angenehmer empfunden, dient jedoch nicht zur Entfernung von Konkrementen!
Cave: Bei unsachgemäßer Anwendung sind Luftemphyseme möglich!

Welche Technik verwendet werden soll, hängt letztendlich vom Umstand ab, wie man die Ziele einer Parodontitistherapie am besten erreicht.

Ziele

• Reduktion der Sondierungstiefe (ST) unter 4mm
• Attachmentgewinn (AL)
• Absenz von Blutung auf Sondierung (BoP) Stellen, die im Recall nie bluten, haben ein geringes Risiko für zukünftigen Attachmentverlust

Nicht aus den Augen verlieren sollte man auch, dass eine erfolgreiche Parodontitistherapie nie ein punktueller Prozess, sondern immer ein längerfristiges Betreuungsregime erfordert. Somit sollte ein Parodontitispatient auch immer als Langzeitpatient gesehen werden.

 

Autorin:
Barbara Bergmann
Prophylaxeassistentin in Wien